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Die „Hohe Instanz“ oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben1

Aus den Erlebnissen des „Kleinen Mannes“ – ein satirisches Dramolett

Ein Gastbeitrag von Georg Schober: Das Dramolett reflektiert die gegenwärtige, von Russophobie beherrschte Politik des „Westens“ und deren subjektive Wahrnehmung durch den Autor. Zu dem Beitrag animiert wurde er durch die satirischen Interventionen des Abgeordneten im Europäischen Parlament, Martin Sonneborn. Der unmittelbare Anlass für das Dramolett lieferten ihm die bellizistischen Aussagen der FDP-Politikerin und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des EU-Parlaments in der ORF-Sendereihe „Das Gespräch mit Tobias Pötzelsberger“ unter dem Titel „Waffen für den Frieden“. 2 Ebenfalls im „Wiener Bücherschmaus“ erscheint ergänzend zu dem folgenden Minidrama der Beitrag „Satire und Meinungsfreiheit versus Zensur und Propaganda“.

Dramolett

Der „Kleine Mann“ ist ein aufmerksamer Beobachter des Zeitgeschehens. Voll Sorge sieht er, wie stromlinienförmig und zugleich tief gespalten unsere Gesellschaft von heute ist. Bestürzt nimmt er die weitgehende Gesprächsverweigerung der europäischen Diplomatie gegenüber den Vertretern der Russischen Föderation und deren Dämonisierung wahr. Statt Lösungen für einen dauerhaften Frieden zu suchen, trommeln Sofageneräle aus Politik und Journalismus für den Krieg.

Als sich für den „Kleinen Mann“ die Gelegenheit ergibt, mit der „Hohen Instanz“ im Rahmen einer sogenannten „Fragestunde“ zu sprechen, nimmt er diese wahr.

Satire. Ein Maiskolben im Anzug spricht zu HühnernVor der Türe zur „Hohen Instanz“: Er klopft, wartet, und tritt, da keine Reaktion erfolgt, nach kurzem Zögern ein. Nach wenigen Schritten stößt er auf eine bis zur Decke reichenden Barriere aus Plexiglas. In dieser befindet sich in Brusthöhe ein ovales, allerdings geschlossenes Türchen mit einem guten Dutzend kleiner Löcher. Darunter der Hinweis „Hier sprechen“.

An der Wand hinter dem Plexiglas ein Transparent. Sein Text „Jeder Schuss ein Russ“ 3 nimmt die ganze Breite des Raumes ein. Davor ein Tisch, auf dem sich auf einem Papierteller eine Knackwurst 4 und eine bereits geöffnete Flasche Bier befinden. Von den beiden letzteren geht ein helles, nahezu überirdisch scheinendes Strahlen aus“.

Kleiner Mann: 5 Guten Tag, bin ich hier richtig bei der Fragestunde der „Hohen Instanz“?

Die Knackwurst beginnt sich krampfartig-zuckend zu bewegen und dabei aufzublähen; während das Bier leicht schäumend über den Flaschenhals zu rinnen beginnt. Eine freundliche, gütige Stimme erfüllt plötzlich den Raum.

Hohe Instanz: Es freut mich allerweil ungemein, wenn sich eine Gelegenheit ergibt, um mit dem einfachen Volk zu parlieren. Er scheint mir ein braver Mann zu sein, gerne will ich ihn erleuchten. Stell´ er nur munter seine Fragen.

Der „Kleine Mann“ neigt den Oberkörper leicht nach vorne, um seinen Mund vor die Sprecheinrichtung zu bringen. Er stellt sich vor, und obwohl er durch die ungewöhnlichen Umstände etwas verunsichert ist, formuliert er seine Fragen klar und verständlich.

Satire: 3 Journalisten in der Faust eines Mannes, der die Elite symbolisiert.Kleiner Mann: Ich würde von Ihnen gerne wissen, warum so viel von „Kriegstüchtigkeit“ und so wenig von Frieden, Dialog und Diplomatie die Rede ist? Warum investieren wir nicht mehr Geld in Bildung, den Ausbau von Sozialleistungen und den Schutz unserer Umwelt? Weshalb machen wir, um mit einem Bild zu sprechen, nicht „Schwerter zu Pflugscharen“ und streben nach Verständigung und weltweiter Abrüstung?

Hohe Instanz: (verärgert, mit leicht drohendem Unterton) Sollte ich mich in ihm getäuscht haben? Er wird doch nicht ein defätistischer Vaterlandsverräter sein? Man müsst´ ihn sonst ein wenig kujonieren, damit er zur Räson kommt. (Wieder freundlicher und scheinbar erklärend) Aber es mangelt ihm wohl nur am notwendigen Verständnis. Gemeinsam mit meinen „Freunden aus der Europäischen Union und der NATO“ bestehe ich darauf, dass wir endlich „auf eine Kriegsmentalität umschwenken“ 6 und unsere Länder „auf Kriegswirtschaft umstellen“. Unsere Waffenindustrie wappnet bereits heute die Bürger*innen, um den Feind zu strafen, und schafft zugleich Arbeitsplätze – wie höre ich es manchmal von den jüngeren Mitgliedern meiner Entourage auf Neudeutsch: „Eine „Win-win-Situation“ für Aktionär*in, Bürger*in und unsere Demokratie.

Im weiteren Verlauf seines Monologs echauffiert sich die „Hohe Instanz“ immer mehr und gerät zunehmend in Rage.

Hohe Instanz: Es ist doch unumstritten, der russische Bär will uns mit seiner Propaganda 7 vergiften und Europa das Joch der Knechtschaft auferlegen. Russland muss von der Landkarte getilgt werden 8 – Punktum! Wir werden den asiatischen Horden schon zeigen, wo der Barthel den Most holt. 9 Darum vorwärts, Ukrainer*innen: „Jeder Schuss ein Russ´!“

Und was glaubt er denn? Bessere Bildung, mehr Sozialleistungen und Umweltschutz möcht´ er für das Volk. Ja, kann er denn auch etwas anderes als fordern und immer nur fordern? Meint er gar, Bildung, Sozialleistungen und eine gesunde Umwelt seien umsonst? Weiß er denn nicht, wie schwer derlei Ausgaben unsere Finanzen belasten? Die Unterschicht soll froh sein, dass wir sie nicht schon längst in die Schützengräben gesteckt haben. (Leise, mehr zu sich selbst): Würd´ das Problem allemal einfach, effizient und kostengünstig aus der Welt schaffen.

Die „Hohe Instanz“ beruhigt sich ein wenig und wendet sich, nach einer kurzen Nachdenkpause, mit einem an väterliche Strenge gemahnenden Unterton in der Stimme noch einmal an den „Kleinen Mann“.

Satire:Zu sehen ist auf der Zeichnung ein Mann mit einer Sprechpuppe Hohe Instanz: Er wird noch lernen müssen, nicht so viele Fragen zu stellen. Es wird sein Schaden nicht sein. Versteh‘ er doch, ihm fehlt einfach die Grundlage, selbstständig Überlegungen anzustellen. Überlass´ er doch einfach uns Politiker*innen und Fachleuten das Denken. Wir achten schon darauf, dass alles seine Richtigkeit hat!

Der „Kleine Mann“ lässt sich freilich nicht einschüchtern und nutzt die Gelegenheit, nicht nur zu fragen, sondern die „Hohe Instanz“ auch mit Kritik an der herrschenden Diplomatie und Politik zu konfrontieren.

Kleiner Mann: (etwas lauter, über den einseitigen und aggresiven Blickwinkel der „Hohen Instanz“ sichtlich empört) Sie scheinen mir von der eigenen Propaganda vergiftet. Wäre es nicht die zentrale Aufgabe von Politikern, statt Hass zu verbreiten, sich für Frieden, sozialen Fortschritt und ein solidarisches Miteinander einzusetzen? Sollte verantwortungsvolle Diplomatie nicht versuchen, ihre geopolitischen Widersacher zu verstehen und zu begreifen? Dies hieße ja keineswegs, deren Sichtweise automatisch zu übernehmen. Eine solche Herangehensweise würde aber helfen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Sie böte die Möglichkeit, trotz divergierender politischer Ansichten letztlich auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Wie Sie sicher wissen, ist nicht alles, was möglich ist, auch sinnvoll! Haben Sie sich dahingehend schon gefragt, ob es klug war, dass die NATO seit 1999 den Staatsgrenzen der „Russischen Föderation“ Schritt für Schritt immer näher gerückt ist? Wurden dadurch nicht russische Sicherheitsinteressen verletzt?

Meinen Sie ernsthaft, Wladimir Putin ist bereit, einen Krieg gegen die NATO zu beginnen, der zumindest große Teile Europas und damit Russlands in Schutt und Asche legen würde? Vielleicht erinnern Sie sich, dass das militärische Potenzial 10 der NATO selbst ohne Berücksichtigung der USA in fast allen Schlüsselbereichen jenem Russlands überlegen ist. Die anhaltende Aufrüstungsrhetorik in vielen europäischen Staaten stimmt daher erwiesenermaßen nicht mit dem tatsächlichen militärischen Kräfteverhältnis überein.

Und war es wirklich ein kluger Schachzug, russisches Erdöl zu sanktionieren, um danach große Mengen dieses Öls mit einem entsprechenden Aufschlag über Indien zu beziehen? Ist es im Interesse unserer Wirtschaft sinnvoll, Verträge, die uns über viele Jahre die Lieferung von Erdgas zu günstigen Konditionen gesichert haben, aufzukündigen? Gleicht dessen Ersatz durch überteuertes und ökologisch bedenkliches Fracking-Gas aus den USA nicht einem Schuss ins eigene Knie?

Keuchen, Husten und Röcheln unterbricht den Redefluss des „Kleinen Mannes“. Kaum ein wenig zu Luft gekommen, wendet sich die „Hohe Instanz“ voll Ingrimm an ihn.

Hohe Instanz: (mit vor Wut zitternder Stimme) Sein Verhalten ist impertinent. Er scheint mir ein „Putinversteher“, ein Mann der „Fünften Kolonne“. 11 Sicher hört er heimlich Feindsender wie „Russia Today“. Es wird für ihn das Beste sein, wenn er sich rasch entfernt und mich nicht mehr weiter inkommodiert. Ich kann ihm allerdings jetzt schon versprechen, man wird in Zukunft ein Auge auf ihn haben.

Die „Hohe Instanz“ hat sich nun gänzlich verausgabt. Sie wirkt ausgelaugt und verbraucht. Bevor ihre Stimme völlig erlischt, beschimpft sie den „Kleinen Mann“ noch einmal, ruft mit letzter Kraft zum Durchhalten auf und macht sich für den vermeintlich „finalen Schlag“ gegen die Russische Union stark.

Hohe Instanz: Sie Quisling, 12 merken Sie sich das: Mit dem „Leibhaftigen“ verhandelt man nicht! Wir müssen Stärke zeigen und durchhalten! Europa muss zusammenstehen wie ein Mann! Russland muss zerstört werden! Unser Waschmaschinenembargo 13 wird den Ausschlag geben. Ohne die Mikrochips aus den Waschmaschinen wird die Kriegsmaschinerie Putins zusammenbrechen. Der Sieg wird unser sein – Slava Ukraini!

Das anfängliche Strahlen ist erloschen. Im schwachen Lichtschein einer einzelnen Energiesparlampe erkennt der „Kleine Mann“ die Knackwurst kaum wieder. Sie wirkt vergammelt, grünstichig. Am Teller hat sich ein milchig-trüber Flüssigkeitsabsatz gebildet, ein saurer Geruch von verdorbenem Fleisch steigt ihm in die Nase. Das Bier wiederum hat so geschäumt, dass es sich über den Tisch ergossen hat und nun eine Lache unter demselben bildet.

Der „Kleine Mann“ ahnt, dass schon morgen eine andere Wurst und eine neue Flasche Bier die Rolle der „Hohen Instanz“ geben werden., sich an deren Politik jedoch nicht so schnell etwas ändern wird.

Allerdings hat ihn die „Hohe Instanz“ mit ihrem „Propagandasprech“ unbeabsichtigt darin bestärkt, sich in Zukunft noch mehr als bisher für den Frieden, eine lebenswerte Umwelt und soziale Gerechtigkeit einzusetzen.

Als der „Kleine Mann“ gerade gehen will, betritt eine Reinigungskraft den Raum. Sie säubert den Tisch und wischt den Boden mit einem Mopp. Die Knackwurst kommt samt dem Papierteller in einen Sack mit der Aufschrift „Restmüll“. Die Bierflasche wird sie morgen mit einigen anderen in den Supermarkt tragen und ihr Gehalt mit den Pfandeinnahmen etwas aufbessern. Im Hinausgehen drehen der „Kleine Mann“ und die Reinigungskraft gemeinsam das Licht ab, es wird dunkel im Raum.

(Vorhang)

Fotocredtit: Die drei Zeichnungen sind von nuvolanevicata und wurden von der Seite adobe stock kostenlos heruntergeladen: „elections with corncob political humorous cartoon“, „the information in fist political cartoon“, „electoral rag doll political metaphor“.

Anmerkungen:

1 Der Titel „Die ‚Hohe Instanz‘ oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ ist eine Hommage an Stanley Kubrick. Dieser schuf 1964, mitten im „Kalten Krieg“, den Antikriegsfilm „Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb“. Der deutsche Titel lautet „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben.“ Der Film ist eine bitterböse Satire auf den Krieg. Insbesondere auf die Möglichkeit, einen Atomkrieg erfolgreich zu führen. Er stellt all jene, die sich Gesprächen und einer aktiven Friedenspolitik verweigern, dorthin, wo sie hingehören: in das Eck der verantwortungslosen Brandstifter.

2 Die Sendung „Das Gespräch mit Tobias Pötzelsberger“ unter dem Titel „Waffen für den Frieden“ vom 25. März 2025 auf ORF 2 fand statt mit der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des EU-Parlaments Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), dem Milizbeauftragter des Bundesheeres Erwin Hameseder, dem Journalisten und Militäranalysten Franz-Stefan Gady und dem Chefredakteur und Verleger von „Die Weltwoche“ Roger Köppel. Hier der Link auf der Seite des ORF (nicht mehr verfügbar) und hier der Link via Weltwoche zur Sendung.

Die Zitate: Ab Minute 4:50 „Wladimir Putin ist ein Mörder, ein Killer, der Hunderte von Millionen Menschen unter die Erde gebracht hat. Übrigens gerade eingeräumt hat, dass er 700.000 Kinder aus der Ukraine verschleppen hat lassen.“ Ab Minute 13:50 folgt: „Die Ukraine ernährt 70 Milliarden Menschen.“ Ab Minute 52:00 sieht sie nach dem Schmelzen des Polareises „die ersten russischen Schiffe vor der Küste New Yorks auftauchen“.

3 Einer der bekanntesten Propagandasprüche der Mittelmächte aus der Zeit zwischen 1914 und 1918 lautet: „Jeder Schuss ein Ruß, jeder Stoß ein Franzos, jeder Tritt ein Britt, jeder Klapps ein Japs.“

Die moderne Kriegspropaganda geht auf die Zeit des Ersten Weltkrieges zurück und wurde seither ständig weiterentwickelt. Ihre Aufgabe ist es, den militärischen Gegner und die Kräfte des Friedens im eigenen Land mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. Man selbst geriert sich als das immer korrekt vorgehende Opfer.

„Westliche Politiker und Publizisten können sich immer wieder extrem abfällig über Russland äußern, ohne dafür öffentlich kritisiert zu werden. Rhetorisch darf offenbar jedes Tabu gebrochen werden. Dieser negative Umgang, der in Bezug auf andere Länder kaum vorstellbar ist, geht weit über sachlich berechtigte Kritik an der russischen Staatsführung hinaus und ist in Kriegszeiten genauso beobachtbar wie in Friedenszeiten. Die Verantwortlichen greifen dabei auf bestimmte Stereotype und Unterstellungen gegenüber Russland zurück, die schon seit Jahrhunderten wiederholt werden und sich tief ins westliche Unterbewusstsein eingegraben haben.“ Die langen Linien der Russophobie: Ein Beitrag von Stefan Korinth vom 24. April 2023 auf Multipolar.

4 Die Knackwurst (vulgo Knacker) wird in Wien auch „Beamtenforelle“ (Beaumtnforön) genannt. Der Name stellt einen Verweis auf den bescheidenen Verdienst der Beamten in der Nachkriegszeit dar. Sie wird kalt mit Brot und Senf oder aufgeschnitten mit einer Marinade aus Essig und Öl sowie feingehacktem Zwiebel genossen. Auch als warmes Gericht gibt es die „Beamtenforelle“. Sie wird klassisch mit „eibrennde Hund“ (Erdäpfeln in einer „Einbrenn“ / Kartoffeln in Mehlschwitze) und einem „Krokodü“ (Salzgurkerl) auf den Tisch gebracht.

5 Dass es gerade der „Kleine Mann“ ist, der das Gespräch mit der „Hohen Instanz“ führt, ist kein Zufall. Er verweist auf Wilhelm Reich (1897 – 1957) und seine 1946 abgefasste Schrift die „Rede an den kleinen Mann“. Kurz nach dem Ende des Faschismus geschrieben, ist das Buch auch heute noch von großer Aktualität. Der Text zeigt klar, dass sich das Verhältnis zwischen „Kleinem Mann“ und „Politik“ seither nicht grundsätzlich verändert hat.

„Du bist seit einigen Jahrzehnten daran, die Herrschaft der Erde anzutreten. Von deinem Denken, von deinen Handlungen hängt von nun an die Zukunft des Menschengeschlechts ab. Aber deine Lehrer und Herren sagen dir nicht, wie du wirklich denkst, und bist; niemand wagt die einzige Kritik an dir, die dich als Lenker deiner eigenen Geschicke ausrüsten und standfest machen soll. Du bist ‚frei‘ nur in einem Sinne: Frei von Erziehung zur Selbststeuerung deines Lebens, frei von Selbstkritik!“

Wilhelm Reich macht in dem Buch die Verführbarkeit des „kleinen Mannes“ deutlich. Er sieht dessen grundsätzliche Fähigkeit, ebenso wie dessen fehlenden Willen, aus der Geschichte zu lernen. Die „Rede an den kleinen Mann“ ist ein Aufruf an die Menschheit, die eigenen Bedürfnisse zu leben: „ … das Lebendige beansprucht nicht Macht, sondern Geltung im Leben. Es beruht auf den drei Pfeilern der Liebe, der Arbeit und des Wissens. … Du fragst, wann dein Leben gut und sicher sein wird, kleiner Mann: Dein Leben wird gut und sicher sein, wenn die Lebendigkeit mehr bedeuten wird als Sicherheit, Liebe mehr als Geld, deine Freiheit mehr als parteiliche oder öffentliche Meinung; wenn die Stimmung Beethoven´scher oder Bach´scher Musik die Stimmung deiner gesamten Existenz wird (du hast sie in dir, kleiner Mann, irgendwo tief verborgen in einer Ecke deines Wesens!); wenn dein Denken in Einklang, und nicht mehr in Widerspruch mit deinen Gefühlen wirken wird; wenn du deine Gaben beizeiten erfassen und dein Altern beizeiten erkennen wirst; wenn du die Gedanken der großen Weisen, und nicht mehr die Untaten der großen Krieger, leben wirst, wenn die Lehrer deiner Kinder, und nicht die Politiker, von dir besser entlohnt sein werden; …“

6 Die EU muss „auf eine Kriegsmentalität umschwenken“ (NATO-Generalsekretär Marc Rutte), „auf Kriegswirtschaft umstellen“ (EVP-Vorsitzende im Europaparlament, Manfred Weber).

7 Propaganda: Kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs formulierte der britische Politiker und Pazifist Arthur Ponsonby (1871-1946) folgende zehn „Prinzipien der Kriegspropaganda, die bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren haben:

  1. Wir wollen den Krieg nicht
  2. Das gegnerische Lager trägt die Verantwortung
  3. Der Führer des Gegners ist ein Teufel
  4. Wir kämpfen für eine gute Sache
  5. Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen
  6. Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich
  7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm
  8. Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache
  9. Unsere Mission ist heilig
  10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter

1928 veröffentlichte Edward Bernays (1891–1995), einer der Väter der modernen Propaganda und ein Neffe Sigmund Freuds, sein Buch „Propaganda“. Dieses gilt bis heute als ein Klassiker der einschlägigen Fachliteratur. Das „Böse“ in Form von Manipulation der Massen lacht einem aus dem Buch noch ungeschminkt ins Gesicht. Bernays zeigte in dem Werk anhand konkreter Beispiele gänzlich offen, wie man die Meinung der Massen steuert.

„Der grandiose Erfolg der Propaganda im Krieg hat den Weitsichtigen die Augen geöffnet für die Möglichkeiten von Manipulation der Massenmeinung in allen Bereichen des Lebens.“

Bernays beriet zahlreiche Wirtschaftsbosse und Politiker und entwickelte für sie Kampagnen. Berühmt-berüchtigt wurde seine Operation für die „United Fruit Company“, den größten Landbesitzer Guatemalas. Der guatemaltekische Präsident Jacobo Arbenz wollte unbewirtschaftetes Land gegen Entschädigung enteignen, um es landlosen Bauern zu übergeben. Durch ausgestreute Falschinformation und deren Verbreitung durch die Medien gelang es ihnen, Arbenz als Marxisten zu stigmatisieren. In der Öffentlichkeit der USA stieg daraufhin die Unterstützung für eine Intervention. 1954 war dann die Zeit für einen von der CIA geplanten und organisierten Militärputsch gekommen. Der Präsident musste zurücktreten und ins Exil gehen.

„Die herrschende Minderheit hat ein mächtiges Instrument entdeckt, mit der sie die Mehrheit beeinflussen kann. Die Meinung der Massen ist offensichtlich formbar, sodass ihre neu gewonnene Kraft in die gewünschte Richtung gelenkt werden kann. (…) Moderne Propaganda ist das stetige, konsequente Bemühen, Ereignisse zu formen oder zu schaffen mit dem Zweck, die Haltung der Öffentlichkeit zu einem Unternehmen, einer Idee oder einer Gruppe zu beeinflussen.“

8 Die Russische Föderation von der Landkarte tilgen: Bereits 1997 stellte Zbigniew Brzeziński (1928 – 2017), ehemaliger Berater zahlreicher US-Präsidenten und Nationaler Sicherheitsberater Jimmy Carters, in seinem Buch „The Grand Chessboard“ (dt. „Die einzige Weltmacht“) Überlegungen zur Teilung Russlands an:„Einem lockerer konföderierten Russland – bestehend aus einem europäischen Russland, einer sibirischen Republik und einer fernöstlichen Republik – fiele es auch leichter, engere Wirtschaftsbeziehungen mit Europa, den neuen Staaten Zentralasiens und dem Osten zu pflegen.“
Der strategische Ausblick, den er in dem Buch skizziert, sieht das Vordringen des transatlantischen Bündnisses bis Zentralasien vor. Zugleich lehnt er die Einbeziehung eines gleichberechtigten Russlands in die westliche Weltordnung ab. Er befürwortet die Osterweiterung der EU und geht zukünftig von einer NATO-Mitgliedschaft Georgiens und der Ukraine aus. Sein erklärtes Ziel ist es, den Einfluss des Westens nach Eurasien auszuweiten und dessen geopolitische Ordnung zu gestalten. In seinen Plänen ist die Russische Föderation zur Peripherie einer von den USA dominierten neuen Weltordnung degradiert.

EU-Außenbeauftrage und Kommissionsvizepräsidentin Kaja Kallas, zum Zeitpunkt der Aufnahme noch Premierministerin Estlands: „Die Niederlage Russlands ist keine schlechte Sache, denn dann könnte es wirklich zu einem Wandel in der Gesellschaft kommen. Und es gibt derzeit viele verschiedene Nationen, im Moment, als Teil Russlands. Ich denke, wenn es mehr kleine Nationen gäbe, wäre es keine schlechte Sache, wenn die große Macht tatsächlich viel kleiner wäre.“

Das „Forum Freier Nationen des Post-Russlands“ tagte im Jänner 2023 im Europäischen Parlament. Das Forum stellt sich das Ziel, für die Völker Russlands die Unabhängigkeit zu erreichen und Russland in viele kleine unabhängige Staaten aufzuteilen.

Die Parlamentarische Versammlung der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) tagte 2024 in der Hauptstadt Rumäniens, in Bukarest. Im Abschlusscommuniqué heißt es: „(Die Parlamentarische Versammlung der OSZE) erkennt die systematische Politik der Verletzung der Menschenrechte und der Rechte der Völker in der Russischen Föderation zum Nachteil ihrer indigenen Völker als kolonialistisch und als Verstoß gegen die grundlegenden Erklärungen der Vereinten Nationen an und erkennt, aufbauend auf der Entschließung 2024/2579 des Europäischen Parlaments vom 29. Februar 2024 und der Entschließung 2540/2024 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 17. April 2024, an, dass die Dekolonialisierung der Russischen Föderation eine notwendige Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden ist.“ Aufgrund dieser Erklärung beschließt das russische Parlament, nicht mehr an der Parlamentarischen Versammlung der OSZE teilzunehmen. Die Mitgliedschaft der Russischen Föderation in der OSZE bleibt davon allerdings unberührt.

9 Wenn jemand zeigt, „wo der Barthel den Most holt“, macht die Person unmissverständlich klar, „wer das Sagen hat“. Denn „Barthel“ ist jiddisch für „Brechstange“ und „Most“ ist ebenfalls ein jiddisches Wort – für „Geld“.

10 Daten zu den Bereichen Militärbudget, Militärtechnik und „Mannstärke“: Die Länder mit den weltweit höchsten Militärausgaben im Jahr 2023 (in Milliarden US-Dollar): USA 916; China 296; Russische Föderation 109; Indien 83,6; Saudi Arabien 75,8; Vereinigtes Königreich 74,9; Deutschland 66,8; Ukraine 64,8; Frankreich 61,3; Japan 50,2. Die weltweiten Ausgaben für das Militär summierten sich in diesem Jahr insgesamt auf rund 2,4 Billionen US-Dollar, die US-amerikanischen Ausgaben machten damit einen Anteil von rund 37 Prozent aus.
1.320.000 aktiven russische Soldaten stehen 3.439.197 ebensolche Soldaten der NATO gegenüber. Berücksichtigt man die Reserven und paramilitärischen Einheiten, so ist das Verhältnis 8.658.882 zu 3.570.000.
Bei Jagdflugzeugen und Abfangjägern beträgt die Überlegenheit der NATO fast 2.500 Flugzeuge und bei Kampfpanzern ist der Überhang der NATO über 5.700 Einheiten groß. Im Bereich der nuklearen Sprengköpfe ist das Verhältnis nahezu ausgeglichen. 5.559 Sprengköpfe der NATO stehen 5.580 Russlands gegenüber. Statistische Daten via statista.com

11 Der Begriff „fünfte Kolonne“ stammt aus dem „Spanischen Bürgerkrieg“: General Emilio Mola Vidal, einer der Führer der Putschisten, griff mit seinen Truppen im Sommer 1936 das von der Spanischen Republik gehaltene Madrid an. Er behauptete, er werde die Stadt von außen mit vier Kolonnen stürmen. In Madrid selbst stehe die „Fünften Kolonne“ bereit, die ihn von innen unterstützen würde. Die Verteidiger Madrids hielten damals dem Angriff stand. Die Hauptstadt Spaniens fiel erst im Frühjahr 1939, wenige Tage vor dem Ende des Bürgerkriegs.
Seither gilt die „Fünften Kolonne“ als Synonym für Saboteure, Spionage und Verrat, der den Feind von innen zu zersetzen sucht. Heute wird der Begriff oft im übertragenen Sinne für „willige Helfer“ gebraucht, die bei internationalen Konflikten mit dem Gegner vermeintlich oder tatsächlich zusammenarbeiten.

12 Vidkun Quisling (1887 – 1945) war der Führer der von ihm gegründeten faschistischen Partei „Nasjonal Samling“. Quisling führte die Marionettenregierung im von der deutschen Wehrmacht besetzten Norwegen von 1942 – 1945. Er wurde wegen Hochverrats 1945 verurteilt und erschossen. Bis heute gilt der Name Quisling in vielen Ländern als Inbegriff von Kollaboration und Verrat. Insbesondere werden Personen als Quisling bezeichnet, die in einer Marionettenregierung mit der Besatzungsmacht zusammenarbeiten.

13 EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einer Rede im EU-Parlament am 14. September 2022: „Das russische Militär nimmt Chips aus Geschirrspülern und Kühlschränken, um seine militärische Hardware zu reparieren, weil es keine Halbleiter mehr gibt. Russlands Industrie liegt in Trümmern.“ Von der Leyen bezieht sich dabei auf die damalige US-Handelsministerin Gina Ramondo. Diese wird in der Washington Post folgendermaßen zitiert: „Uns liegen Berichte von Ukrainern vor, wonach die russische Militärausrüstung, die sie vor Ort finden, mit Halbleitern gefüllt ist, die sie aus Geschirrspülern und Kühlschränken entnommen haben.“ Laut der Zeitung stammt die Information von offizieller ukrainischer Seite.

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