Weihnachtliche Gedichte abseits von Lamettaglanz und Punschseligkeit
Zwischen dem ersten Adventsonntag und dem 6. Jänner, dem Dreikönigstag, liegen die sogenannten besinnlichen Tage rund um Weihnachten. Die Bedeutung dieser Zeit geht weit über die unmittelbare Freude vieler Menschen an der Geburt Christi hinaus. Sich zu besinnen heißt vor allem, zur Ruhe zu kommen und über die wichtigen Dinge im Leben nachzudenken.
Neben dem Erinnern an freudige Begebenheiten und dem Nachdenken über persönliche Belastungen, kann das Nachdenken über die großen Konflikte unserer Zeit wie Krieg, Vertreibung und Völkermord ein Teil dieses Prozesses sein. Ein Gedicht beziehungsweise die Lyrik vermag in diesem Zusammenhang nicht nur Hoffnung zu schenken, sondern auch zum Nachdenken anzuregen.
In diesem Beitrag finden Sie Gedichte um Weihnachten von Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz, Rainer Maria Rilke, Erich Mühsam und vielen weiteren Autorinnen und Autoren, deren Lyrik bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat. Viele der vorgestellten Gedichte thematisieren gesellschaftliche Probleme wie Zensur, Gewalt und Krieg. Andere lyrische Texte sind religiös-spirituell geprägt oder vermitteln, wie jene von Paula Dehmel und Anna Ritter, die kindliche Freude am Weihnachtsfest.
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Die weihnachtlichen Gedichte werden durch einige persönliche Gedanken des Autors zum Zeitgeschehen eingeleitet. Diese werden durch weiterführende Literaturhinweise zu den Themen Krieg in der Ukraine, Völkermord in Palästina sowie Zensur und Propaganda in der Europäischen Union ergänzt.
Vorfreude auf Weihnachten?
Paula Dehmel fängt in ihrem Gedicht „Weihnachtschnee“ die Vorfreude auf Weihnachten in eindrucksvoller Weise ein. In der ersten Strophe heißt es:
Ihr Kinder, sperrt die Näschen auf,
Es riecht nach Weihnachtstorten;
Knecht Ruprecht steht am Himmelsherd
Und bäckt die feinsten Sorten.
Betrachtet man gegenwärtig Palästina, die Ukraine sowie die weiteren Konfliktregionen, in denen die Europäische Union aktiv ist, so besteht allerdings kein Anlass zur weihnachtlichen Vorfreude. Das europäische Friedensprojekt namens EU – sofern es nicht die Zusammenarbeit der ehemaligen „Erbfeinde“ Deutschland und Frankreich meint – liegt in Trümmern.
Israel und Palästina
Trotz der mehr als 60.000 geöteten Palästinenserinnen und Palästinensern im Gazastreifen, der mindestens doppelt so hohen Zahl an Verletzten sowie der systematischen Zerstörung der Lebensgrundlagen der dort lebenden Bevölkerung – zahlreiche Völkerrechtler sprechen von Völkermord – pflegen viele EU-Staaten weiterhin enge wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Israel. Besonders die deutsche Waffenindustrie unterhält bis heute lukrative Geschäftsbeziehungen mit Israel, dem Nationalstaat des jüdischen Volkes.
Die Forderung nach einer Zweistaatenlösung als Perspektive für den Frieden bleibt ohne entschlossenen politischen und wirtschaftlichen Druck auf Israel eine Illusion. Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist sie nichts anderes als eine Chimäre. Sie dient Israel und seinen Unterstützern vor allem dazu, den bestehenden Status quo der Besatzung und Unterdrückung des palästinensischen Volkes aufrechtzuerhalten.
Weiterführende Informationen des Literaturblogs „Wiener Bücherschmaus“: Israel und Palästina – Zionismus versus Antizionismus.
Literaturhinweise:
- Pappe, Ilan: Die ethnische Säuberung Palästinas, Westend Verlag, 2019
- Pappe, Ilan; Melzer, Abraham u.a.: Die vergessenen Palästinenser. Die Geschichte der Palästinenser in Israel, Westend Verlag, 2025
- Rabkin, Yakov M.: Im Namen der Thora. Die Jüdische Opposition gegen den Zionismus, Verlag Fifty-fifty, 2020
- Said, Edward W.: The Question of Palestine, HarperCollins, 2024
- Segev, Tom: Die ersten Israelis. Die Anfänge des jüdischen Staates, Siedler Verlag, 2008
- Verleger, Rolf: Israels Irrweg. Eine jüdische Sicht, Papyrossa, 2024
- Zimmermann, Moshe: Niemals Frieden? Israel am Scheideweg. Ullstein, 2024
Russland und Ukraine
Auch in der Ukraine hat die EU bisher keine Verdienste um den Frieden erworben. Statt den Dialog mit Russland zu suchen und Friedensverhandlungen zu fördern, gießt die Europäische Union immer mehr Öl ins Feuer des Krieges: mehr Waffen, mehr Sanktionen, mehr Konfrontation. Damit trägt sie maßgeblich dazu bei, das Kriegsleid in der Ukraine zu verlängern und die Sicherheit sowie den Wohlstand in Europa zu gefährden.
Um die ungebremste Aufrüstung auf Kosten der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Europäischen Union zu gewährleisten, muss das Bedrohungsszenario hoch und das Streben nach Frieden und Verständigung klein gehalten werden. Daher schürt die Propaganda der EU unter der Bevölkerung die Angst vor Russland, dem „Feind im Osten“ und entmenschlicht diesen systematisch.
Mehr zum Thema im Literaturblog des Wiener Bücherschmaus: Antirussische Propaganda, Sanktionen und Krieg in der Ukraine
Literaturhinweise:
- Abelow, Benjamin: Wie der Westen den Krieg in die Ukraine brachte. Die Rolle der USA und der NATO im Ukraine-Konflikt, Silad Press, 2022 und das englischsprachige Original: „How The West Brought War to Ukraine“. Beide Ausgaben können kostenlos heruntergeladen werden.
- Baab, Patrik: Auf beiden Seiten der Front. Meine Reise in die Ukraine, Verl. Fifty-Fifty, 2023
- Hofbauer Hannes: Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung, Promedia Verl., 2022
- Hofbauer, Hannes: Im Wirtschaftskrieg. Die Sanktionspolitik des Westens und ihre Folgen. Das Beispiel Russland, Promedia Verl., 2024
- Krone-Schmalz, Gabriele: Russland verstehen. Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens, Westend Verl., 2024
- Krone-Schmalz, Gabriele: Eiszeit. Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist, Westend Verl., 2023
- Luft, Stefan u. Opielka, Jürgen Wendler: Mit Russland – Für einen Politikwechsel (mit einem Vorwort von Günter Verheugen), Westend Verl., 2025
- Trachtenberg, Marc u. Klöckner, Marcus: Chronik eines angekündigten Krieges – Die Ukraine und das Versagen der Diplomatie, Westend Ver., 2025
Kriegstüchtigkeit wird wieder salonfähig
Achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und mehr als 60 Millionen Toten – darunter 27 Millionen aus dem Vielvölkerstaat Sowjetunion – kehrt das Postulat der „Kriegstüchtigkeit“ nach Europa zurück. Dieser Begriff entstammt der Mottenkiste des Militarismus und der nationalsozialistischen Propaganda und wurde vom deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius und zahlreichen Medien in den letzten zwei Jahren wieder „salonfähig“ gemacht.
Zur Begründung halluzinieren die Kriegstreiber wider besseres Wissen schon mal das Bild russischer Panzer vor dem Brandenburger Tor. Wo diese plumpe Art der Propaganda versagt, werden hybride Angriffe (Cyberwar, Sabotage, Drohnen, …) ins Treffen geführt. Diese haben den unschätzbaren Vorteil, dass sie, ohne Beweise vorlegen zu müssen, jederzeit einem geopolitischen Widerpart „umgehängt“ werden können.
Ausgehend vom Krieg in der Ukraine und auf der Grundlage der behaupteten Bedrohungslage versucht die EU, den Menschen die Vorbereitung und Durchführung eines großen Krieges „schmackhaft“ zu machen. Dafür treibt sie die Militarisierung der Gesellschaft mit hunderten Milliarden Euro Sondervermögen voran, während sie der Diplomatie und dem Aufbau einer europäischen Friedensarchitektur jegliche Chance verweigert.
Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen. Der Regen von gestern macht uns nicht naß, sagen viele. Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod. Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote, wie Leute, die schon hinter sich haben, was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.
Und doch wird nichts mich davon überzeugen, dass es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!
Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.
Aus: Bertold Brechts Rede auf dem Wiener Völkerkongreß für den Frieden im Jahre 1952
Literaturhinweis:
Um gegen die Kriegseuphorie Argumente zu sammeln, hat die „Neue Gesellschaft für Psychologie“ Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen versammelt und den Band „Militarisierung der Gesellschaft“ herausgegeben. Erschienen ist der Band 2025 im Promediaverlag.
Gedichte um Weihnachten – Zensur und Verbote gestern und heute
Bereits vor rund zweihundert Jahren, als sich die bürgerliche Revolution von 1848 anbahnte, thematiserte August Heinrich Hoffmann (von Fallersleben) die damals vorherrschende Zensur in einem weihnachtlichen Gedicht. In dem lyrischen Werk mit dem Titel „Officielles Weihnachtsgeschenk“ heißt es unter anderem:
Freut euch alle, freut euch alle,
Lobet Gott mit Jubelschalle,
Der noch immer Wunder tut.
Das Zensuredikt das neue
Will, daß alle Welt sich freue –
Ach, wie ist es mild und gut.
Vom Vormärz in die Gegenwart
Es handelt sich um die Zeit des Vormärz, in der die Bundesversammlung in Frankfurt am Main die Schriften Heinrich Heines sowie die seiner Kollegen aus der literarischen Bewegung des „Jungen Deutschland“ und des „Vormärz“ zensiert beziehungsweise verbietet und die betreffenden Autoren sanktioniert.
Heutzutage ist es die Europäische Union, die staatliche russische Medien wie RT und Sputnik verbietet. Mit dem 17. Sanktionspaket sind seit Mai 2025 erstmals auch drei Journalisten aus der EU mit Sanktionen belegt. Der Sanktionsbeschluss erfolgte ohne Gerichtsverfahren, ohne Anhörung und ohne dass die Journalisten informiert wurden. Betroffen sind die deutschen Staatsbürger Hüseyin Doğru, Alina Lipp und Thomas Röper. Sie sind in der EU mit einem Ein- sowie Ausreiseverbot, der Sperrung ihrer Bankkonten, dem Einfrieren von Vermögenswerten und dem Verbot, ein Einkommen zu generieren, konfrontiert. Während sich Lipp und Röper in Russland aufhalten, lebt Doğru mit seiner Familie in Deutschland und ist durch die Sanktionen einer unmittelbaren existenziellen Bedrohung ausgesetzt.
Eine fundierte, kritische und differenzierte Berichterstattung ist in der EU unerwünscht. Sie wird größtenteils umgehend als von Hamas- beziehungsweise Putin-Verstehern lancierte Desinformation gebranntmarkt. Zugleich wird der Informationsraum von zahlreichen sogenannten „Experten“ geflutet, deren Expertise vor allem im Nachplappern des gerade gewünschten Narrativs besteht.
Zensur und Verbote senden eine klare Botschaft der Einschüchterung an alle Medienschaffenden, die der Politik der Europäischen Union kritisch gegenüberstehen. Die Propaganda der Europäischen Union – euphemistisch auch als Public Relations bezeichnet – verbreitet weitgehend unhinterfragt Kriegshysterie, Russophobie sowie die Ideologie des Zionismus, die als einzige legitime Form der Solidarität mit Jüdinnen und Juden dargestellt wird.
Diese Vorgehensweise engt den gesellschaftlichen Diskurs ein und erschwert eine lösungsorientierte Sicht auf die Ursachen von Krieg und Besatzung.
Weiterführende Gedanken zu den Themen Zensur und Propaganda: Satire und Meinungsfreiheit versus Zensur und Propaganda
Literaturhinweise:
- Lawrence, Patrick: Journalisten und ihre Schatten. Zwischen Medienkonzernen und unabhängiger Berichterstattung, Promedia 2025
- Baab, Patrik: Propa-Ganda-Presse: Wie uns Medien und Lohnschreiber in Kriege treiben, Verl. Hintergrund, 2024
- Baab, Patrik: Recherchieren. Ein Werkzeugkasten zur Kritik der herrschenden Meinung, Westend Verl., 2022
- Bernays, Edward: Propaganda. Die Kunst der Public Relations, orange press, 2023
Weihnachten und Gedichte über den Krieg
Kurt Tucholsky, der im Herbst 1918 vor mehr als 100 Jahren als überzeugter Antimilitarist und Pazifist aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrte, schrieb in seinem Gedicht „Weihnachten 1918“ unter anderem:
Ich träume meinen alten Traum:
Schlag, Volk, die Kriegsbrandstifter nieder!
Glaub diesen Burschen niemals wieder!
Dann sing du frei die Weihnachtslieder:
O Tannebaum! O Tannebaum!
Und alle Jahre wieder.
Um den Frieden keine Chance zu bieten und dem Militär-Industriellen Komplex eine lukrative Rendite angedeihen zu lassen, sind die politischen Brandstifter unterschiedlicher Couleur bis heute aktiv. Kriegsbesoffen planen sie unter dem Vorwand, Demokratie, Moral und Menschenrechte zu verteidigen, die Durchsetzung ihrer geopolitischen Interessen. Dabei führen sie uns Schritt für Schritt in Richtung Krieg. – Ein erster Schritt für ein friedliches und solidarisches Miteinander der Völker: „Glaub diesen Burschen niemals wieder!“ …
24 Gedichte um Weihnachten
Damit Sie, auch im Sinne von Joachim Ringelnatz, die besinnlichen Tage rund um Weihnachten nicht um die Besinnung bringen, finden Sie hier eine Auswahl von Gedichten. Diese laden Sie zum Nachdenken, Reflektieren und manchmal auch zum Schmunzeln ein und begleiten Sie durch die Weihnachtszeit.
ERICH MÜHSAM: WEIHNACHTEN
Nun ist das Fest der Weihenacht,
das Fest, das alle glücklich macht,
wo sich mit reichen Festgeschenken
Mann, Weib und Greis und Kind bedenken,
wo aller Hader wird vergessen
beim Christbaum und beim Karpfenessen;
und Groß und Klein und Arm und Reich,
an diesem Tag ist alles gleich.
So steht’s in vielerlei Varianten
in deutschen Blättern. Alten Tanten
und Wickelkindern rollt die Zähre
ins Taschentuch ob dieser Märe.
Papa liest’s der Familie vor,
und alle lauschen und sind Ohr …
Ich sah, wie so ein Zeitungsblatt
ein armer Kerl gelesen hat.
Er hob es auf aus einer Pfütze,
daß es ihm hinterm Zaune nütze.
RAINER MARIA RILKE: WEIHNACHT
Die Winterstürme durchdringen
Die Welt mit wütender Macht. –
Da – – sinkt auf schneeigen Schwingen
Die tannenduftende Nacht…
Da schwebt beim Scheine der Kerzen
Ganz leis nur, kaum, daß du’s meinst,
durch arme irrende Herzen
der Glaube – ganz so wie einst…
Da schimmern im Auge Tränen,
du fliehst die Freude – und weinst,
der Kindheit gedenkst du mit Sehnen,
oh, wär es noch so wie einst!…
Du weinst!… die Glocken erklingen –
Es sinkt in festlicher Pracht
Herab auf schneeigen Schwingen
Die tannenduftende Nacht.
JOACHIM RINGELNATZ: VORFREUDE AUF WEIHNACHTEN
Ein Kind — von einem Schiefertafel-Schwämmchen
Umhüpft — rennt froh durch mein Gemüt.
Bald ist es Weihnacht! — Wenn der Christbaum blüht,
Dann blüht er Flämmchen.
Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt
Uns mild. — Es werden Lieder, Düfte fächeln. —
Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt,
Wird dann doch gütig lächeln.
Wenn wir im Traume eines ewigen Traumes
Alle unfeindlich sind — einmal im Jahr! —
Uns alle Kinder fühlen eines Baumes.
Wie es sein soll, wie’s allen einmal war.
Biografische Informationen über Joachim Ringelnatz im Wiener Bücherschmaus.
KURT TUCHOLSKY: WEIHNACHTEN 1918
So steh ich nun vor deutschen Trümmern
und sing mir still mein Weihnachtslied.
Ich brauch mich nicht mehr drum zu kümmern,
was weit in aller Welt geschieht.
Die ist den andern. Uns die Klage.
Ich summe leis, ich merk es kaum,
die Weise meiner Jugendtage:
O Tannebaum!
Wenn ich so der Knecht Ruprecht wäre
und käm in dies Brimborium
– bei Deutschen fruchtet keine Lehre –
weiß Gott! ich kehrte wieder um.
Das letzte Brotkorn geht zur Neige.
Die Gasse grölt. Sie schlagen Schaum.
Ich hing sie gern in deine Zweige,
O Tannebaum!
Ich starre in die Knisterkerzen:
Wer ist an all dem Jammer schuld?
Wer warf uns so in Blut und Schmerzen?
uns Deutsche mit der Lammsgeduld?
Noch leben die Kanonenbrüder.
Ich träume meinen alten Traum:
Schlag, Volk, die Kriegsbrandstifter nieder!
Glaub diesen Burschen niemals wieder!
Dann sing du frei die Weihnachtslieder:
O Tannebaum! O Tannebaum!
Und alle Jahre wieder.
Das Gedicht wurde von Hans Eisler vertont und ist auf Ernst Busch: Fromme Gesänge. He! Republik – Kurt Tucholsky und Hanns Eisler zu hören. Aurora 5 80 010/011. Hrsg. 1965 (2. Aufl. 1969).
MAX HERRMANN-NEISSE: WEIHNACHTEN 1933
Einst lasen wir die schmerzliche Legende
von der Verbannten, weihnachtlichem Leid:
verloren in der Fremde, eingeschneit …
Nun sind wir selbst Opfer der Zeitenwende,
der Heimat fern und ihren Weihnachtsgaben,
dem Duft der Tanne, Äpfeln und Konfekt.
Die Wolke hat den Weihnachtsstern verdeckt,
in fremder Erde liegt das Glück begraben.
Aber mir kann nichts geschehen:
Du bist bei mir, liebste Frau,
Christbaumlichter kann ich sehen,
wenn ich in Dein Auge schau.
Wenn ich Deine Stimme höre,
klingen Weihnachtsmelodien,
es entrücken Engelschöre
alles, was mir feindlich schien.
Was frommt es, über das Verlorne klagen
und nachzuweinen dem, was nicht mehr ist?
Es kommt zu Dir, wo Du auch immer bist,
die frohe Botschaft in den Weihnachtstagen.
Der Talisman ist noch in Deinen Händen:
zuletzt bestehst Du, denn Du bliebst Dir treu,
und immer wieder wird das Leben neu,
umblüht ein Heim Dich mit vertrauten Wänden.
Immer wieder wirst Du schenken
mir die sichre Ruhestatt,
darf ich mir ein Lied ausdenken
träumend vor dem weißen Blatt,
darf ich fern den harten Schlachten
dieses Friedensfest begehn,
ob die Welten sich umnachten,
dennoch Christbaumlichter sehn.
Denn ob auch karg und ohne große Feste,
wird reinen Herzens unsre Weihnacht sein:
wenn jene sich dem Wahn des Hasses weihn,
bewahren wir aus dem, was ist, das Beste.
Wohin auch die Geschicke uns verschlagen,
wir werden wohlbeschützt in unserm Blut,
wie einst Nomaden ihr Reliquiengut,
das Heiligtum der Heimat mit uns tragen.
Also sollst Du Weihnacht haben
heimatlich in fremdem Land,
nichts entbehren von den Gaben,
wenn wir beide Hand in Hand
aus den Blicken friedlich wieder
Christbaumlichter leuchten sehn
und den Stern der Weihnachtslieder
über unserm Obdach stehn.
Nähere Informationen über Max Herrmann-Neiße finden Sie im Wiener Bücherschmaus auf der Seite Max Herrmann-Neiße.
PAULA DEHMEL: SANKT NIKLAS AUSZUG
Sankt Niklas zieht den Schlafrock aus,
klopft seine lange Pfeife aus
und sagt zur heiligen Kathrein:
Öl mir die Wasserstiefel ein,
bitte hol auch den Knotenstock
vom Boden und den Fuchspelzrock,
die Mütze lege oben drauf,
und schütte dem Esel tüchtig auf,
halt auch sein Sattelzeug bereit;
wir reisen, es ist Weihnachtszeit.
Und dass ich`s nicht vergeß, ein Loch
ist vorn im Sack, das stopfe noch!
Ich geh derweil zu Gottes Sohn
und hol mir meine Instruktion.
Die heilige Käthe, sanft und still,
tut alles, was Sankt Niklas will.
Der klopft indes beim Herrgott an,
Sankt Peter hat ihm aufgetan
und fragt: Grüß Gott! wie schaut`s denn aus?
und führt ihn ins himmlische Werkstättenhaus.
Da sitzen die Englein an langen Tischen,
ab und zu Feen dazwischen,
die den kleinsten zeigen, wie`s zu machen,
und weben und kleben die niedlichsten Sachen,
hämmern und häkeln, schnitzen und schneidern,
fälteln die Stoffe zu zierlichen Kleidern,
packen die Schachteln, binden sie zu
und haben so glühende Bäckchen wie Du.
Herr Jesus sitzt an einem Pult
und schreibt mit Liebe und Geduld
eine lange Liste. Potz Element,
wie viel artige Kinder Herr Jesus kennt!
Die sollen die schönen Engelsgaben
zu Weihnachten haben.
Was fertig ist, wird eingesackt
und auf das Eselchen gepackt.
Sankt Niklas zieht sich recht warm an;
Kinder, er ist ein alter Mann,
und es fängt tüchtig an zu schnein,
da muss er schon vorsichtig sein.
So geht es durch die Wälder im Schritt,
manch Tannenbäumchen nimmt er mit;
und wo er wandert, bleibt im Schnee
manch Futterkörnchen für Hase und Reh.
Aus Haus und Hütte strahlt es hell,
da hebt er dem Esel den Sack vom Fell,
macht leise alle Türen auf,
jubelnd umdrängt ihn der kleine Hauf:
Sankt Niklas, Sankt Niklas,
was hast du gebracht?
was haben die Englein
für uns gemacht?
„Schön Ding, gut Ding,
aus dem himmlischen Haus;
langt in den Sack! Holt euch was raus!
KLABUND: WEIHNACHT
Ich bin der Tischler Josef,
Meine Frau, die heißet Marie.
Wir finden kein’ Arbeit und Herberg’
im kalten Winter allhie.
Habens der Herr Wirt vom goldnen Stern
nicht ein Unterkunft für mein Weib?
Einen halbeten Kreuzer zahlert ich gern,
zu betten den schwangren Leib. –
Ich hab kein Bett für Bettelleut;
doch scherts euch nur in den Stall.
Gevatter Ochs und Base Kuh
werden empfangen euch wohl. –
Wir danken dem Herrn Wirt für seine Gnad
und für die warme Stub.
Der Himmel lohns euch und unser Kind,
seis Madel oder Bub.
Marie, Marie, was schreist du so sehr? –
Ach Josef, es sein die Wehn.
Bald wirst du den elfenbeinernen Turm,
das süßeste Wunder sehn. –
Der Josef Hebamme und Bader war
und hob den lieben Sohn
aus seiner Mutter dunklem Reich
auf seinen strohernen Thron.
Da lag er im Stroh. Die Mutter so froh
sagt Vater Unserm den Dank.
Und Ochs und Esel und Pferd und Hund
standen fromm dabei.
Aber die Katze sprang auf die Streu
und wärmte zur Nacht das Kind. –
Davon die Katzen noch heutigen Tags
Maria die liebsten Tiere sind.
JOACHIM RINGELNATZ: EINSIEDLERS HEILIGER ABEND
Ich hab’ in den Weihnachtstagen –
Ich weiß auch, warum –
Mir selbst einen Christbaum geschlagen,
Der ist ganz verkrüppelt und krumm.
Ich bohrte ein Loch in die Diele
Und steckte ihn da hinein
Und stellte rings um ihn viele
Flaschen Burgunderwein.
Und zierte, um Baumschmuck und Lichter
Zu sparen, ihn abend noch spät
Mit Löffeln, Gabeln und Trichter
Und anderem blanken Gerät.
Ich kochte zur heiligen Stunde
Mir Erbsenuppe und Speck
Und gab meinem fröhlichen Hunde
Gulasch und litt seinen Dreck.
Und sang aus burgundernder Kehle
Das Pfannenflickerlied.
Und pries mit bewundernder Seele
Alles das, was ich mied.
Es glimmte petroleumbetrunken
Später der Lampendocht.
Ich saß in Gedanken versunken.
Da hat’s an der Tür gepocht.
Und pochte wieder und wieder.
Es konnte das Christkind sein.
Und klang’s nicht wie Weihnachtslieder?
Ich aber rief nicht: “Herein!”
Ich zog mich aus und ging leise
Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott,
Und dankte auf krumme Weise
Lallend dem lieben Gott.
FRANCISCA STOECKLIN: STERN VON BETHLEHEM
Unendlich Blau.
Geweihte Nacht.
Und immer fällt der Schnee
In zarten Sternen.
Deckt die weite Erde sacht.
Heilige Nacht …
Durchglüht vom Leidensblut
Des lieben Herrn.
Wir pilgern noch im Dunkel.
Doch wir sehen seinen Stern.
CHRISTIAN MORGENSTERN: DAS WEIHNACHTSBÄUMLEIN
Es war einmal ein Tännelein
mit braunen Kuchenherzlein
und Glitzergold und Äpflein fein
und vielen bunten Kerzlein:
Das war am Weihnachtsfest so grün
als fing es eben an zu blühn.
Doch nach nicht gar zu langer Zeit,
da stands im Garten unten,
und seine ganze Herrlichkeit
war, ach, dahingeschwunden.
Die grünen Nadeln war’n verdorrt,
die Herzlein und die Kerzlein fort.
Bis eines Tags der Gärtner kam,
den fror zu Haus im Dunkeln,
und es in seinen Ofen nahm –
Hei! Tat`s da sprühn und funkeln!
Und flammte jubelnd himmelwärts
in hundert Flämmlein an Gottes Herz.
JOACHIM RINGELNATZ: WEIHNACHTEN
Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit,
Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle
schöne Blumen der Vergangenheit.
Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,
und das alte Lied von Gott und Christ
bebt durch Seelen und verkündet leise,
daß die kleinste Welt die größte ist.
PETER HILLE: DIE WEIHNACHTSFEE
Und Frieden auf Erden den Menschen,
die eines guten Willens sind.
Suchende Sterne ins eilende Haar,
Frierende Sterne, schmelzend zergangen
Über den wunderfeiernden Wangen,
Und die Augen von Liebe so klar.
Wie Glocken klar, wie Reif so rein
Und so duft und so jung und blühend vor Güte
Tau der Frühe himmlische Blüte
Wie Rosen und wie Fliederschnein.
Da steigen die Hände, ein bettelndes Meer,
Augen dunkeln nach Geschenken,
Mir! Mir! Mir! Mich musst du bedenken!
So steigen die bettelnden Teller her.
Dunkel wird’s, ein Wundern steht
Strenge in der Feenseele,
Wie wenn rohe Nacht das Leuchten quäle,
Und Ernst in die Güte der Augen geht.
Und es spricht wie klares Licht
Aus dem milden Angesicht:
Geben euch? Was soll ich euch geben,
Alle Wunder habt ihr ja hier,
Eine Erde die könnt hegen ihr,
In euch selber will der Himmel leben.
Kinder, ihr wünscht,
So könnt ihr ja geben
Und selig sein und selig machen,
Und innig sein wie Kinderlachen
Und wie wir von Wundern leben.
Tuet frohe Liebesgaben
Einer in des anderen Hand,
Tuet ab das Geizgewand
Und ihr pflücket alles Haben.
RICHARD DEHMEL: FURCHTBAR SCHLIMM
Vater, Vater, der Weihnachtsmann!
Eben hat er ganz laut geblasen,
viel lauter als der Postwagenmann.
Er ist gleich wieder weitergegangen,
und hat zwei furchtbar lange Nasen,
die waren ganz mit Eis behangen.
Und die eine war wie ein Schornstein,
die andre ganz klein wie’n Fliegenbein,
darauf ritten lauter, lauter Engelein,
die hielten eine großmächtige Leine,
und seine Stiefel waren wie Deine.
Und an der Leine, da ging ein Herr,
ja wirklich, Vater, wie’n alter Bär,
und die Engelein machten hottehott;
ich glaube, das war der liebe Gott.
Denn er brummte furchtbar mit dem Mund,
ganz furchtbar schlimm, ja wirklich; und –
„Aber Detta, du schwindelst ja,
das sind ja wieder lauter Lügen!“
Na, was schad’t denn das, Papa?
Das macht mir doch soviel Vergnügen.
„So? – Na ja.“
KLABUND: DIE HEILIGEN DREI KÖNIGE
Wir sind die drei Weisen aus dem Morgenland,
Die Sonne, die hat uns so schwarz gebrannt.
Unsere Haut ist schwarz, unsere Seel ist klar,
Doch unser Hemd ist besch… ganz und gar.
Kyrieeleis.
Der erste, der trägt eine lederne Hos‘,
Der zweite ist gar am A… bloß,
Der dritte hat einen spitzigen Hut,
Auf dem ein Stern sich drehen tut.
Kyrieeleis.
Der erste, der hat den Kopf voll Grind,
Der zweite ist ein unehlich‘ Kind.
Der dritte nicht Vater, nicht Mutter preist,
Ihn zeugte höchstselbst der heilige Geist.
Kyrieeleis.
Der erste hat einen Pfennig gespart,
Der zweite hat Läuse in seinem Bart,
Der dritte hat noch weniger als nichts,
Er steht im Strahl des göttlichen Lichts.
Kyrieeleis.
Wir sind die heiligen drei Könige,
Wir haben Wünsche nicht wenige.
Den ersten hungert, den zweiten dürst‘,
Der dritte wünscht sich gebratene Würst.
Kyrieeleis.
Ach, schenkt den armen drei Königen was.
Ein Schöpflöffel aus dem Heringsfass –
Verschimmelt Brot, verfaulter Fisch,
Da setzen sie sich noch fröhlich zu Tisch.
Kyrieeleis.
Wir singen einen süßen Gesang
Den Weibern auf der Ofenbank.
Wir lassen an einem jeglichen Ort
Einen kleinen heiligen König zum Andenken dort.
Kyrieeleis.
Wir geben euch unseren Segen drein,
Gemischt aus Kuhdreck und Rosmarein.
Wir danken für Schnaps, wir danken für Bier.
Anders Jahr um die Zeit sind wir wieder hier.
Kyrieeleis.
GOTTFRIED KELLER: CHRISTMARKT VOR DEM BERLINER SCHLOSS
Welch lustiger Wald um das hohe Schloß
hat sich zusammengefunden,
ein grünes, bewegliches Nadelgehölz,
von keiner Wurzel gebunden!
Anstatt der warmen Sonne scheint
das Rauschgold durch die Wipfel;
hier zurückt man Kuchen, dort brät man Wurst,
das Rüchlein zieht an die Gipfel.
Es ist ein fröhliches Leben im Wald,
das Volk erfüllet die Räume;
die nie mit Tränen ein Reis gepflanzt,
die fällen am frohesten die Bäume.
Der eine kauft ein bescheidnes Gewächs
zu überreichen Geschenken,
der andre einen gewaltigen Strauch,
drei Nüße daran zu henken.
Dort feilscht um ein winziges Kieferlein
ein Weib mit scharfen Waffen;
der dünne Silberling soll zugleich
den Baum und die Früchte verschaffen.
Mit rosiger Nase schleppt der Lakai
die schwere Tanne von hinnen;
das Zöfchen trägt ein Leiterchen nach,
zu ersteigen die grünen Zinnen.
Und kommt die Nacht, so singt der Wald
und wiegt sich im Gaslichtscheine;
bang führt die ärmste Mutter ihr Kind
vorüber dem Zauberhaine.
Einst sah ich einen Weihnachtsbaum:
im düstern Bergesbanne
stand reifbezuckert auf dem Grat
die alte Wettertanne.
Und zwischen den Ästen waren schön
die Sterne aufgegangen;
am untersten Ast sah man entsetzt
die alte Wendel hangen.
Hell schien der Mond ihr ins Gesicht,
das festlich still verkläret;
weil auf der Welt sie nichts besaß,
hatt´ sie sich selbst bescheret.
JOACHIM RINGELNATZ: SCHENKEN
Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei,
Was in dir wohnt
An Meinung, Geschmack und Humor.
So daß die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.
Schenke groß oder klein
Aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten die Gaben wiegen,
Sei dein Gewissen rein.
Schenke mit Geist, ohne List.
Sei eingedenk
Daß dein Geschenk
Du selber bist.
PAULA DEHMEL: WEIHNACHTSSCHNEE
Ihr Kinder, sperrt die Näschen auf,
Es riecht nach Weihnachtstorten;
Knecht Ruprecht steht am Himmelsherd
Und bäckt die feinsten Sorten.
Ihr Kinder, sperrt die Augen auf,
Sonst nehmt den Operngucker:
Die große Himmelsbüchse, seht,
Tut Ruprecht ganz voll Zucker.
Er streut – die Kuchen sind schon voll –
Er streut – na, das wird munter:
Er schüttelt die Büchse und streut und streut
Den ganzen Zucker runter.
Ihr Kinder sperrt die Mäulchen auf,
Schnell! Zucker schneit es heute;
Fangt auf, holt Schüßeln – ihr glaubt es nicht?
Ihr seid ungläubige Leute!
HEINRICH HEINE: DIE HEIL′GEN DREI KÖNIGE
Die Heil′gen Drei Könige aus Morgenland,
Sie fragten in jedem Städtchen:
„Wo geht der Weg nach Bethlehem,
Ihr lieben Buben und Mädchen?“
Die Jungen und Alten, sie wußten es nicht,
Die Könige zogen weiter;
Sie folgten einem goldenen Stern,
Der leuchtete lieblich und heiter.
Der Stern blieb stehn über Josephs Haus,
Da sind sie hineingegangen;
Das Öchslein brüllte, das Kindlein schrie,
Die Heil’gen Drei Könige sangen.
HEINRICH HOFFMANN – DER STRUWWELPETER
Wenn die Kinder artig sind,
Kommt zu ihnen das Christkind;
Wenn sie ihre Suppe essen
Und das Brot auch nicht vergessen,
Wenn sie, ohne Lärm zu machen,
Still sind bei den Siebensachen,
Beim Spazierengehn auf den Gassen
Von Mama sich führen lassen,
Bringt es ihnen Gut’s genug
Und ein schönes Bilderbuch
KLABUND: BÜRGERLICHES WEIHNACHTSIDYLL
Was bringt der Weihnachtsmann Emilien?
Ein Strauß von Rosmarin und Lilien.
Sie geht so fleißig auf den Strich.
O Tochter Zions, freue dich!
Doch sieh, was wird sie bleich wie Flieder?
Vom Himmel hoch, da komm ich nieder.
Die Mutter wandelt wie im Traum.
O Tannebaum! O Tannebaum!
O Kind, was hast du da gemacht?
Stille Nacht, heilige Nacht.
Leis hat sie ihr ins Ohr gesungen:
Mama, es ist ein Reis entsprungen!
Papa haut ihr die Fresse breit.
O du selige Weihnachtszeit!
JOACHIM RINGELNATZ: VORFREUDE AUF WEIHNACHTEN
Ein Kind — von einem Schiefertafel-Schwämmchen
Umhüpft — rennt froh durch mein Gemüt.
Bald ist es Weihnacht! — Wenn der Christbaum blüht,
Dann blüht er Flämmchen.
Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt
Uns mild. — Es werden Lieder, Düfte fächeln. —
Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt,
Wird dann doch gütig lächeln.
Wenn wir im Traume eines ewigen Traumes
Alle unfeindlich sind — einmal im Jahr! —
Uns alle Kinder fühlen eines Baumes.
Wie es sein soll, wie’s allen einmal war.
KURT TUCHOLSKY: GROSSSTADT-WEIHNACHTEN
Nun senkt sich wieder auf die heim’schen Fluren
die Weihenacht! die Weihenacht!
Was die Mamas bepackt nach Hause fuhren,
wir kriegens jetzo freundlich dargebracht.
Der Asphalt glitscht. Kann Emil das gebrauchen?
Die Braut kramt schämig in dem Portemonnaie.
Sie schenkt ihm, teils zum Schmuck und teils zum Rauchen,
den Aschenbecher aus Emalch glasé.
Das Christkind kommt! Wir jungen Leute lauschen
auf einen stillen heiligen Grammophon.
Das Christkind kommt und ist bereit zu tauschen
den Schlips, die Puppe und das Lexikohn.
Und sitzt der wackre Bürger bei den Seinen,
voll Karpfen, still im Stuhl, um halber zehn,
dann ist er mit sich selbst zufrieden und im reinen:
„Ach ja, son Christfest is doch ooch janz scheen!“
Und frohgelaunt spricht er vom ‚Weihnachtswetter‘,
mag es nun regnen oder mag es schnein.
Jovial und schmauchend liest er seine Morgenblätter,
die trächtig sind von süßen Plauderein.
So trifft denn nur auf eitel Gück hienieden
in dieser Residenz Christkindleins Flug?
Mein Gott, sie mimen eben Weihnachtsfrieden …
„Wir spielen alle. Wer es weiß, ist klug.“
LUDWIG THOMA: HEILIGE NACHT
So ward der Herr Jesus geboren
Im Stall bei der kalten Nacht.
Die Armen, die haben gefroren,
Den Reichen war’s warm gemacht.
Sein Vater ist Schreiner gewesen,
Die Mutter war eine Magd.
Sie haben kein Geld nicht besessen,
Sie haben sich wohl geplagt.
Kein Wirt hat ins Haus sie genommen;
Sie waren von Herzen froh,
Daß sie noch in Stall sind gekommen.
Sie legten das Kind auf Stroh.
Die Engel, die haben gesungen,
Daß wohl ein Wunder geschehn.
Da kamen die Hirten gesprungen
Und haben es angesehn.
Die Hirten, die will es erbarmen,
Wie elend das Kindlein sei.
Es ist eine G’schicht’für die Armen,
Kein Reicher war nicht dabei.
RAINER MARIA RILKE: WEIHNACHTEN IST DER STILLTSTE TAG IM JAHR
Weihnachten ist der stillste Tag im Jahr,
da hörst Du alle Herzen gehn und schlagen
wie Uhren, welche Abendstunden sagen:
Weihnachten ist der stillste Tag im Jahr,
da werden alle Kinderaugen gross,
als ob die Dinge wüchsen die sie schauen,
und mütterlicher werden alle Frauen
und alle Kinderaugen werden gross.
Da musst du draussen gehn im weiten Land
willst du die Weihnacht sehn, die unversehrte
als ob dein Sinn der Städte nie begehrte,
so musst du draussen gehn im weiten Land.
Dort dämmern grosse Himmel über dir
die auf entfernten weissen Wäldern ruhen,
die Wege wachsen unter deinen Schuhen
und grosse Himmel dämmern über dir.
Und in den grossen Himmeln steht ein Stern
ganz aufgeblüht zu selten grosser Helle,
die Fernen nähern sich wie eine Welle
und in den grossen Himmeln steht ein Stern.
AUGUST HEINRICH HOFFMANN VON FALLERSLEBEN: OFFIZIELLES WEIHNACHTSGESCHENK
Freut euch alle, freut euch alle,
Lobet Gott mit Jubelschalle,
Der noch immer Wunder thut.
Das Censuredict das neue
Will, daß alle Welt sich freue –
Ach, wie ist es mild und gut!
Wie ein Stern aus finstrer Wolke
Kam es her zu unserm Volke
Und erschien als heil’ger Christ.
Freut euch, Kinder, Frau’n und Greise!
Freut euch, Fromme, Klug‘ und Weise!
Seht, wie gut und mild es ist.
Wollt ihr ferner euch beschweren?
Könnet ihr noch mehr begehren?
Querulanten, schweiget still!
Ja, wir dürfen Alles sagen,
Alles wünschen, hoffen, klagen,
Alles – wenn’s der Censor will.
