Antirussische Propaganda, Sanktionen und Krieg in der Ukraine

Russland, die Manifestation der ultimativen Bedrohung …

Der vorliegende Meinungsartikel von Georg Schober lädt ein, die Themen antirussische Propaganda und Sanktionen sowie die Vorgehensweise der EU und NATO in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.

Antirussische Propaganda aus dem Jahre 1878: Russland wird in dieser Karikatur als Europa verschlingende Krake dargestellt

Die „westliche Einheitsfront“ von medialem Mainstream und Leitmedien imaginiert Wladimir Putin als „Gottseibeiuns“ in Menschengestalt. Zugleich sieht sie Russland als die Manifestation der ultimativen Bedrohung. Dieser Glaube, man könnte auch von tiefer Überzeugung sprechen, korrespondiert mit der Haltung der politischen Eliten in der EU und NATO.

Um diese Überzeugung in den Köpfen der Bevölkerung möglichst lückenlos zu verankern, ist so gut wie jedes Mittel recht. Aspekte einer Ereigniskette, die nicht der offiziellen Erzählung entsprechen, werden aus der öffentlichen Wahrnehmung getilgt. So löschen die im Gleichschritt mit der EU und NATO marschierenden Medien die Vorgeschichte des Ukrainekrieges konsequent aus ihrer Berichterstattung. Simultan dazu pflegen sie im Widerspruch zu sämtlichen Aussagen relevanter russischer Politiker sowie einschlägiger staatlicher Dokumente die Illusion eines kurz bevorstehendem Angriffs auf die baltischen Staaten oder Westeuropa.

Edward Bernays (1891–1995), einer der Väter der modernen Propaganda und Neffe Sigmund Freuds, schreibt in seinem Buch „Propaganda“ aus dem Jahre 1928:

„Die herrschende Minderheit hat ein mächtiges Instrument entdeckt, mit der sie die Mehrheit beeinflussen kann. Die Meinung der Massen ist offensichtlich formbar, sodass ihre neu gewonnene Kraft in die gewünschte Richtung gelenkt werden kann. (…) Moderne Propaganda ist das stetige, konsequente Bemühen, Ereignisse zu formen oder zu schaffen mit dem Zweck, die Haltung der Öffentlichkeit zu einem Unternehmen, einer Idee oder einer Gruppe zu beeinflussen.“

… und zehn Prinzipien der Kriegspropaganda

Die moderne Kriegspropaganda hat ihre Wurzeln in der Zeit des Ersten Weltkrieges. Sie wurde seither ständig weiterentwickelt. Ihre Aufgabe ist es, sowohl den Kriegsgegner als auch die Kräfte des Friedens an der „Heimatfront“ zu bekämpfen. Parallel dazu wird die Bevölkerung darauf eingeschworen, dass die eigene Seite stets das korrekt handelnde Opfer ist.

Antirussische Propaganda aus dem Ersten Weltkrieg. Die Feldpostkarte ist Teil der Dauerausstellung des Museums Berlin Karlhorst: Kapitel 1: Deutschland und Russland 1914-1941.

Russland wurde je nach Bedarf durch unterschiedliche propagandistische Topoi dargestellt, beispielsweise als „Koloss auf tönernen Füßen“ oder als „russische Dampfwalze“. Heute ist es bei Politikern und „Analysten“ en vogue, abwechselnd den wirtschaftlichen Zusammenbruch Russlands infolge westlicher Sanktionen oder einen baldigen Angriff auf einen oder mehrere NATO-Staaten vorherzusagen.

Bereits kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs formulierte der britische Politiker und Pazifist Arthur Ponsonby (1871-1946) zehn Prinzipien der Kriegspropaganda, die ihre Gültigkeit bis heute bewahrt haben:

1. Wir wollen den Krieg nicht
2. Das gegnerische Lager trägt die Verantwortung
3. Der Führer des Gegners ist ein Teufel
4. Wir kämpfen für eine gute Sache
5. Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen
6. Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich
7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm
8. Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache
9. Unsere Mission ist heilig
10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter

Antirussischen Propaganda gestern und heute

Antirussische Propaganda weist eine lange Tradition auf, die zumindestens bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Nur in wenigen historischen Momenten wurde sie unterbrochen – etwa durch die Waffenbrüderschaft mit Preußen im Kampf gegen Napoleon, während des Zweiten Weltkriegs oder in der Zeit von Glasnost und Perestroika. Von Anfang an scheuten die Apologeten der antirussischen Propaganda nicht davor zurück, „die Russen“ als minderwertig, Bestien, Tiere und Ungeziefer darzustellen. In jüngerer Zeit führt der Versuch der Ukraine, die russische Bevölkerung zu entmenschlichen, zu ihrer Bezeichnung als Orks.

Das Foto zeigt einen russischen General der abgeschlagene Köpfe von Franzosen verspeist. Die Karikatur wurde 1799 erstveröffentlicht.

Die „hohe Kunst“ der westlichen Propaganda besteht demnach darin, die Russische Föderation einerseits als schwach und minderwertig darzustellen, andererseits die Angst vor „Moskau“ zu schüren und aufrechtzuerhalten. Zugleich wird durch die behauptete Bedrohung Europas durch Russland versucht, von der Mitverantwortung der europäischen Eliten für den Ausbruch und die Dauer des Krieges in der Ukraine abzulenken. Ein Krieg, der ohne den Drang der NATO, bis an die russische Staatsgrenze vorzurücken, wahrscheinlich nie stattgefunden hätte.

NS-Propaganda: Moskau und „Petersburg“ ausradieren

Das NS-Regime nutzte die Erkenntnisse der modernen Propagandaforschung sowie die in der Bevölkerung weitverbreitete antirussische und antisowjetische Propaganda und verband diese mit dem Antisemitismus zu einem mörderischen Konglomerat.

„Das Riesenreich im Osten (Sowjetunion) ist reif für den Zusammenbruch. Und das Ende der Judenherrschaft in Russland wird das Ende Russlands als Staat sein. Wir sind vom Schicksal ausersehen, Zeugen einer Katastrophe zu werden, die die gewaltigste Bestätigung für die Richtigkeit der völkischen Rassentheorie sein wird.“ Adolf Hitler: Mein Kampf

Am 22. Juni 1941 begann unter dem Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ der Angriff gegen die Sowjetunion: Das Land sollte vernichtet und die eroberten Gebiete zum „Lebensraum für Deutsche“ werden. Die Ermordung von Millionen Zivilisten, nicht benötigten Arbeitssklaven, war Teil dieses Konzepts.

Es kam zu unvorstellbaren Kriegsverbrechen und Völkermord, wie der Blockade Leningrads (heute St. Petersburg) mit über einer Million Opfern, 90 % von ihnen starben den Hungertod.

Dazu Adolf Hitler im „O-Ton“:

„Das Giftnest Petersburg, aus dem so viele Jahre asiatisches Gift in die Ostsee quoll, muss endgültig verschwinden.“

Joseph Goebbels, der nationalsozialistische Propagandaminister, sekundierte seinem „Führer“:

„Vom Bolschewismus darf nichts mehr übrig bleiben. Der Führer hat die Absicht, Städte wie Moskau und Petersburg ausradieren zu lassen. Es ist das auch notwendig. Denn wenn wir schon Russland in seine einzelnen Bestandteile aufteilen wollen, dann darf dieses Riesenreich kein geistiges, politisches oder wirtschaftliches Zentrum mehr besitzen.“

Insgesamt beklagt die Sowjetunion zirka 27 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg. Sie starben bei der Verteidigung ihrer Heimat und für die Befreiung Europas vom Faschismus.

Heute machen sich wieder Stimmen breit, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnern. So äußerte sich Florence Gaub, die unter anderem für die Europäische Union tätig war und derzeit als Direktorin des Forschungsbereichs am NATO Defense College in Rom arbeitet, am 19. Dezember 2023 in der „Talkshow“ mit Markus Lanz:

„Wir dürfen nicht vergessen, dass, auch wenn Russen europäisch aussehen, dass es keine Europäer sind, jetzt im kulturellen Sinne, einen anderen Bezug zur Gewalt haben, einen anderen Bezug zum Tod haben.“

Die „mythischen Helden“ der Asow-Brigade und die Medien

Spätestens seit 2022 wird um die Asow-Brigade, die bis heute aus Ultranationalisten, Rechtsextremisten und Neonazis besteht, über die Ukraine hinaus ein regelrechter Heldenmythos aufgebaut. Westliche Medien, die vor 2022 teilweise noch offen über das Vorhandensein neonazistischer Einheiten im ukrainischen Militär berichteten, haben ihre Informationspolitik angepasst. Sie sprechen nun, wenn überhaupt, lieber von nationalistischen Brigaden. Die von diesen Einheiten verwendeten faschistischen Symbole wie Hakenkreuz, Schwarze Sonne und Wolfsangel werden dabei bewusst nicht mehr erwähnt. Ebenso wird über das Schleifen der Denkmäler russischer und sowjetischer Persönlichkeiten aus Politik und Kultur und die Verherrlichung von Nazi-Kollaborateuren wie Stefan Bandera und Roman Schuchewytsch der Mantel des Schweigens gebreitet.

Russische staatliche und als staatsnah definierte Medien sind in der EU verboten. Veröffentlichungen von westlichen Alternativmedien, die sich um ein ergänzendes und differenziertes Bild der Ukraine und Russlands bemühen, werden als Propaganda gebrandmarkt. Ihre Autoren und Autorinnen als Putinversteher oder Schwurbler diskreditiert und möglichst an den Rand der Wahrnehmung gedrängt. Die dadurch im Raum schwebende Frage, ob nicht erst das Verstehen von Ereignissen und Prozessen deren korrekte Einordnung ermöglicht, bleibt wohlweislich unbeantwortet. Ebenso schuldig bleiben uns Politik und Medien eine substanzielle Antwort auf die Frage, warum gerade in Krisenzeiten die Meinungsvielfalt als eine der wesentlichen Grundlagen der Demokratie außer Kraft gesetzt wird.

Antirussische Propaganda und Russenhass heute

Das Gefühl der Überlegenheit und des Hasses gegenüber Russland als dem Rechtsnachfolger der Sowjetunion wirkt bei vielen Menschen bis heute nach. Oftmals ohne Russland oder russische Menschen zu kennen. Wann auch immer ein Bedarf zur Reaktivierung eines negativen Russlandbildes besteht, können Politik und Medien an die jahrhundertealte und in der Zeit des Nationalsozialismus auf die Spitze getriebenen Propaganda anknüpfen.

„Westliche Politiker und Publizisten können sich immer wieder extrem abfällig über Russland äußern, ohne dafür öffentlich kritisiert zu werden. Rhetorisch darf offenbar jedes Tabu gebrochen werden. Dieser negative Umgang, der in Bezug auf andere Länder kaum vorstellbar ist, geht weit über sachlich berechtigte Kritik an der russischen Staatsführung hinaus und ist in Kriegszeiten genauso beobachtbar wie in Friedenszeiten.“ Aus „Die langen Linien der Russophobie.“ Stefan Korinth, 24. April 2023 auf Multipolar.

Ein Beispiel für aktuelle Propaganda, die keine Tabus kennt, allerdings dabei unbeabsichtigt zur Realsatire mutiert, liefert die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des EU-Parlaments Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) am 25. März 2025 auf ORF 2 mit ihrem Auftritt in der Sendung „Waffen für den Frieden“.

Die Zitate: Ab Minute 4:50 „Wladimir Putin ist ein Mörder, ein Killer, der Hunderte von Millionen Menschen unter die Erde gebracht hat. Übrigens gerade eingeräumt hat, dass er 700.000 Kinder aus der Ukraine verschleppen hat lassen.“ Ab Minute 13:50 folgt: „Die Ukraine ernährt 70 Milliarden Menschen.“ Ab Minute 52:00 sieht sie nach dem Schmelzen des Polareises „die ersten russischen Schiffe vor der Küste New Yorks auftauchen“.

Im Anschluss an die Sendung stellten weder Mainstream noch Leitmedien die naheliegende Frage, ob es für die Dame nicht bessere Orte als die Politik zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit gäbe. Selbst im österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) erfolgte keine Richtigstellung! Nur tiefes Schweigen, das sich über diesen an Wahnvorstellungen gemahnenden offensichtlichen Unsinn breitet.

Propaganda und Sanktionen gegen russische Kultur

Das westliche Sanktionsregime hat das günstige russische Pipelinegas durch besonders umweltschädliches und teures, mittels Frackings gewonnenes Flüssiggas aus den USA ersetzt. Die energieintensive Industrie beginnt aus Europa abzuwandern. Zu zahlen hat die Rechnung der Konsument.

Selbstredend macht die EU-Politik mit ihren Sanktionen auch vor Kunst, Kultur und Wissenschaft nicht halt. Die westliche Propaganda hat den Nährboden dafür bereitet, dass die Öffentlichkeit in Europa Sanktionen weitestgehend unwidersprochen akzeptiert oder diese sogar einfordert. Russinnen und Russen, die Sanktionen vermeiden möchten, müssen sich unabhängig von ihrer politischen Einstellung für die Handlungen ihrer Regierung rechtfertigen und entschuldigen. Wer dazu nicht bereit ist, hat kaum Chancen, im Westen künstlerisch oder wissenschaftlich zu arbeiten.

So wurde dem Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker Valery Gergiev bereits Anfang 2022 gekündigt. Zuletzt kam es im Juli dieses Jahres in Neapel aufgrund von Protesten zur Absage eines Konzerts unter seiner Leitung. Von Absagen und Kündigungen sind viele weitere russische Künstler, wie die Opernsängerin Anna Netrebko oder der Dirigent Teodor Currentzis betroffen.

Die sanktionierte Wissenschaft Russlands

Auch der Bereich der Wissenschaft wird von westlichen Sanktionen nicht verschont. Diese vereiteln den akademischen Austausch und erschweren die wissenschaftliche Arbeit auf beiden Seiten des Konflikts. So ließ das CERN, die Europäische Organisation für Kernforschung in Genf, die Kooperationsvereinbarungen mit Russland bereits 2024 auslaufen. Mehr als 500 Forscher mit Verbindung zu russischen Instituten sind davon betroffen.

Wissenschaft, Kunst und Kultur dürfen nicht als Spielball politischer Auseinandersetzungen missbraucht werden. Ihre Einschränkung hat weitreichende Folgen. Die Lücke, die das Fehlen russischer Kultur und Wissenschaft derzeit in das Geistesleben Europas reißt, ist schmerzhaft und kann kaum geschlossen werden. Dabei könnten sie insbesondere in politisch herausfordernden Zeiten ein verbindendes Band zwischen den Nationen und Menschen bilden. Um die losen Enden dieses Bandes erneut miteinander zu verknüpfen, sollten wir einander wieder zuhören, lernen, unterschiedliche Meinungen auszuhalten, und der Diplomatie eine Chance geben.

Österreichische Kulturpolitik und antirussische Propaganda

Österreich ist bisher nicht Teil einer realistischen und konstruktiven Politik, die dem Frieden in der Ukraine und Russland eine Chance gibt. Stattdessen trägt die Diplomatie der Alpenrepublik ihr „Scherflein“ zur antirussischen Propaganda der EU bei.

Auch die österreichische Kulturpolitik bildet dabei keine Ausnahme. So wurde erst kürzlich der ukrainische Ultranationalist Serhij Zhadan mit dem „Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur“ ausgezeichnet. Der Mann, der in seinem Buch „Himmel über Charkiw“ die Russen als „Horde“, „Verbrecher“, „Tiere“ und „Unrat“ bezeichnet. Ein Autor, von dem Sätze wie „Ist Puschkin daran schuld, dass Kriegsverbrecher in Russland geboren werden? Ja, er ist schuldig. Natürlich ist er schuldig. Sie sind alle schuldig.“ überliefert sind.

In der Jurybegründung heißt es unter anderem:

„In Form eines imaginären Tagebuchs hält er in dem Band „Himmel über Charkiw“ (2022) seine damaligen Notizen und Aufzeichnungen fest, die etwa auch die Form von Social-Media-Postings angenommen hatten. Auch diese Literatur einer unmittelbaren und unverstellten Zeugenschaft hat im Westen großen Eindruck gemacht.

Mitte des Jahres 2024 ist Zhadan dann selbst in ein Freiwilligen-Bataillon der ukrainischen Nationalgarde eingetreten und nimmt seither direkt am Kampf gegen die russischen Angreifer teil.“

Serhij Zhadan – seine literarischen Räume mögen noch so faszinierend-kunstvoll sein – 2025 zu ehren heißt letztlich, ihn gewollt oder ungewollt auch für seine Kriegshetze auszuzeichnen. Dies ist eine Ansage gegen den Frieden und einer Kulturnation nicht würdig.

Die Preisvergabe an Serhij Zhadan entwertet und beschmutzt diese Auszeichnung, die Autoren und Autorinnen wie Friedrich Dürrenmatt, Christoph Hein, Michel Houellebecq, Sarah Kirsch, Stanisław Lem, Harold Pinter, Jorge Semprún und Christa Wolf zu ihren Preisträgern zählt.

Russland, NATO/EU und das Gedächtnis des „kleinen Mannes“

Das Gedächtnis des „kleinen Mannes“ ist in Zeiten von Social Media kurz. Wer kann sich heute noch an die mit großem Beifall quittierte Rede Wladimir Putins im Deutschen Bundestag 2001 – sie beinhaltet unter anderem eine Einladung zur Zusammenarbeit „von Wladiwostok bis Lissabon“ – erinnern.

Als er sechs Jahre später, im Herbst des Jahres 2007, auf der Münchner Sicherheitskonferenz das Wort ergriff, hatte sich der Wind bereits gedreht. Heute ist seine Rede, mit der er auf die Probleme der geopolitischen Entwicklung aus Sicht Russlands und insbesondere den provozierenden Faktor der NATO-Erweiterung aufmerksam machte, wenn überhaupt, im Westen als der Beginn eines neuen „Kalten Krieges“ in Erinnerung. Die Osterweiterung der NATO schritt danach weiter voran. 2008 stellte die NATO der Ukraine und Georgien einen Beitritt in Aussicht. Es folgte der Ausstieg aus einer Reihe von Abrüstungsabkommen wie dem INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty) durch die USA 2019. Dieser wurde noch in Zeiten des „Kalten Krieges“ geschlossen und sah den Verzicht auf landgestützte atomare Mittelstreckenraketen vor.

Nachdem der Präsident der Russischen Föderation am 17. Dezember 2021 einen Entwurf für ein Sicherheitsabkommen mit den USA und der NATO vorlegt und seine Forderung nach einem Ende der NATO-Osterweiterung nochmals betont, ist man nicht einmal bereit, mit Russland darüber zu sprechen.

Zahlreiche Vorschläge wie die folgenden werden ignoriert: Die Rückkehr zu den Prinzipien der „gleichen und unteilbaren Sicherheit“; Zurückhaltung bei militärischen Planungen und Übungen zur Vermeidung von gefährlichen Zwischenfällen; die Wiederbelebung des NATO-Russland-Rates; Transparenz bei militärischen Übungen und Manövern; keine weitere Ausdehnung der NATO; Verzicht einer Stationierung landgestützter Kurz- und Mittelstreckenraketen an Orten, von denen sie das Hoheitsgebiet der anderen Partei angreifen könnten; Einrichtung eines weitgehend entmilitarisierten Korridors zwischen NATO und Russland, Bekräftigung der Erklärung, dass ein Atomkrieg keinen Sieger haben kann und dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, diese Gefahr abzuwenden; Verzicht der USA auf die Einrichtung von Militärstützpunkten und eine bilaterale militärische Zusammenarbeit in und mit den Staaten des postsowjetischen Raums, die keine NATO-Mitglieder sind; beidseitiger Verzicht auf die Stationierung von Streitkräften und Waffensystemen ausserhalb ihrer Hoheitsgebiete, die die andere Seite als Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit ansehen könnte, …

… Am 24. Februar 2022 überschreiten Truppen der Russischen Föderation die Grenze zur Ukraine.

Wie der Frieden in der Ukraine torpediert wurde

Die überwältigende Mehrheit der Menschen wünscht sich Frieden und keinen Bellizismus, der einen Stellvertreterkrieg auf Kosten der Ukraine führt und dazu aufruft, Russland zu ruinieren. Ein Krieg, der von der Ukraine auch für die geopolitischen Interessen des Westens und die Profite der Rüstungsindustrie geführt wird.

Bereits im März 2022 trafen die Russische Föderation und die Ukraine zu Friedensverhandlungen in Istanbul zusammen. Diese standen wenige Wochen später vor ihrem erfolgreichen Abschluss.

Der ehemalige ukrainische Präsidentenberater Oleksij Arestowytsch, der in die Verhandlungen unmittelbar eingebunden war, erklärte in einem Interview im Februar 2024 mit dem Online-Magazin Unherd:

„Wir öffneten sogar eine Flasche Champagner, denn es war eine absolut erfolgreiche Verhandlung gewesen.“

Letztlich wurden die Friedensverhandlungen in der Türkei seitens der Ukraine im April 2022 abgebrochen. Wie Victoria Nuland, die zum Zeitpunkt dieses Ereignisses Staatssekretärin für politische Angelegenheiten im US-Außenministerium war, in einem Interview äußerte, waren es „die Briten und wir“, die Kiew empfohlen hätten, die Verhandlungen abzubrechen. Sie begründete diese „Empfehlung“ mit dem Hinweis, der Vertrag hätte einseitig die Begrenzung von ukrainischen Waffensystemen vorgesehen.

Auch der ehemalige israelische Regierungschef Naftali Bennett erklärte in einem Interview im Februar 2023, dass die Chancen in Istanbul für eine Einigung gut standen.

„Es waren Boris Johnson und die USA, die sich querlegten und beschlossen, dass es notwendig ist, Putin weiter zu zerstören („to smash“) und nicht zu verhandeln. Sie haben die Verhandlungen abgebrochen, und mir schien es damals, dass sie falsch lagen.“

Kiew hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einer dauerhaften Neutralität der Ukraine im Gegenzug zu Sicherheitsgarantien von anderen Staaten zugestimmt. Damit kam die ukrainische Regierung einem der Hauptanliegen Russlands nach, welches im Nichtbeitritt der Ukraine zur NATO besteht.

Das Land, in dem neben Ukrainern und Russen zahlreiche weitere Ethnien wie Rumänen, Belarussen, Ungarn, Polen, Griechen, Juden und Krimtataren leben, ist heute verwüstet. Dabei hätte die Ukraine als neutraler Staat mit einer föderalen Struktur, der die Rechte aller seiner Minderheiten achtet, eine ausgezeichnete Perspektive gehabt! Statt zum Brückenbauer zwischen Russland und der EU zu werden, zerreißen Krieg, Hass und Nationalismus – „Slawa Ukrajini“ – die Ukraine.

Ein Weg aus der Konfrontation mit Russland …

In der EU und der NATO wird die Analyse politischer, gesellschaftlicher und medialer Entwicklungen heute weitgehend durch die Kategorien „Glaube“ und Moral bestimmt. Dies erschwert die sachliche Auseinandersetzung und das Verständnis von allem, was den eigenen Ansichten widerspricht. Vergessen scheint, dass Frieden nur mit und nicht gegen Russland möglich ist.

Eine verantwortungsvolle Politik der EU würde versuchen, mit Russland wieder ins Gespräch zu kommen. Nur so kann sich gegenseitiges Verstehen einstellen und die unterschiedlichen Interessen austariert werden. Dies führt zur Vorhersehbarkeit des politischen Handelns und der Politik eröffnet sich die Möglichkeit, ihre Entscheidungen verantwortungsvoll vom Ende her zu denken: Vereinbarungen im gegenseitigen Interesse, Abrüstung und Frieden wären wieder möglich.

Indem man immer mehr Waffen das Wort redet, mit Begriffen wie Gerechtigkeit und Strafe hantiert, sich selbst dadurch überhöht und von einem moralischen Thron auf die Welt blickt, kommt man einer Lösung der Probleme um keinen Schritt näher. Politische Analyse und Gespräche können nicht durch Moralisieren ersetzt werden.

Der SPD-Politiker Egon Bahr hat die Mechanismen der „großen“ Politik prägnant zusammengefasst, als er im Jahr 2013 in einer Schule in Heidelberg äußerte:

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie und Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“

Gerade deshalb ist es hoch an der Zeit, im Interesse der Menschheit die Metapher Michael Gorbatschows vom „gemeinsamen Haus Europa“ wieder mit Leben zu füllen und Schritt für Schritt eine europäische Friedensordnung vom Atlantik bis zum Ural wieder aufzubauen.

… ist ein Weg zum Frieden in der Ukraine

Am 17. August 2025 trafen die beiden Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin in Alaska zusammen. Soweit es die Öffentlichkeit beurteilen kann, waren die Verhandlungen von einem amikalen und konstruktiven Austausch geprägt. Weitere substanzielle Gesprächen wie ein Dreiergipfel mit Trump, Putin und Selensky wurden ins Auge gefasst. Der Frieden hat wieder eine Chance.

Einen Tag später informierte Präsident Donald Trump, nachdem er mit den europäischen Staats- und Regierungschefs, dem NATO-Generalsekretär und Präsident Wolodymyr Selenskyj gesprochen hatte, die Öffentlichkeit:

„Alle waren fest entschlossen, dass der beste Weg, den schrecklichen Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden, darin besteht, direkt ein Friedensabkommen zu schließen, das den Krieg beendet. Nicht ein einfaches Waffenstillstandsabkommen, das oft nicht von Dauer ist.“ schrieb Donald Trump.

Damit ging er erstmals von der Forderung nach einem „vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand“ ab und ersetzt sie durch das Ziel, mittels Verhandlungen ein Friedensabkommen zu erreichen.

Man muss kein großer Militärstratege sein, um zu begreifen, dass die Forderung nach einem „vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand“ als Vorbedingung für Verhandlungen nicht realistisch ist. An einer Front von mehr als 1.300 km und jeweils hunderttausenden Soldaten auf beiden Seiten kann ein dauerhafter Waffenstillstand nicht einfach dekretiert werden. Ohne eine vorhergehende und umfängliche Abklärung der Rahmenbedingung kann er keine Stabilität erlangen. Zugleich würde sein Scheitern zum voraussichtlichen Abbruch eines eben erst begonnenen Friedensprozesses führen.
Ein dauerhafter Waffenstillstand kann daher nur als Teil eines Gesamtkonzepts funktionieren. Voraussetzung dafür ist die Schaffung einer stabilen Gesprächsbasis. Der Waffenstillstand stellt somit einen von mehreren wichtigen und aufeinander aufbauenden Schritten auf dem Weg zu einem umfassenden Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine dar.

Leider erinnert die Diplomatie der europäischen Eliten – abgesehen vom Fehlen jeglichen Humors – stark an das Auftreten von Waldorf und Statler, den beiden Balkon-Muppets. Nachdem die Politiker der EU bis auf ganz wenige Ausnahmen mehr als drei Jahre das Gespräch mit Wladimir Putin verweigert haben, möchten sie nun doch am gemeinsamen Tisch sitzen. Es wird sich zeigen, ob „Europa“ die Verhandlungen durch überzogene Forderungen desavouiert oder die Friedensbemühungen unterstützt.

Die Chefdiplomatin der EU, Kaja Kallas, meinte jedenfalls noch vor wenigen Tagen sinngemäß: Solange Russland keinem vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand zustimmt, sollte nicht über Zugeständnisse an Russland diskutiert werden. Russland müsse erst einmal seine Waffen niederlegen, der Ablauf international überwacht und mit eisernen Sicherheitsgarantien für die Ukraine versehen werden.

Während die USA und Russland bereits die ersten Schritte für einen dauerhaften Frieden in der Ukraine setzen, schreibt die österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger auf X:

“Putin ist offenbar keinen Millimeter ernsthaft zu Frieden bereit und stimmt vor allem immer noch keinem Waffenstillstand zu. Friedensverhandlungen untertags während man des Nachts weiter bombardiert? Zur Erinnerung: bereits im März hat die Ukraine ihre Bereitschaft dazu zum Ausdruck gebracht. (…) Es ist also offen gesagt unmöglich bei Russland auch nur irgendeine Bereitschaft für Frieden zu sehen. Dennoch: wir sind Präsident Trump dankbar für die Entschlossenheit für einen gerechten und anhaltenden Frieden in der Ukraine zu sorgen. Die Sicherheitsinteressen der Ukraine und auch Europas und das Recht auf Selbstbestimmung sind dabei zentral! Wir werden alle weiteren Bemühungen der USA für Frieden unterstützen, gerade auch im Wege eines trilateralen Zusammentreffens der USA, der Ukraine und Russlands.“

Die Tage, an denen Österreich dank seiner aktiven Außenpolitik als neutraler Staat weithin geschätzt wurde und eine erfolgreiche Mittlerrolle in der Welt eingenommen hat, liegen Jahrzehnte zurück. Heute ist das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten ein Wurmfortsatz der EU-Außenpolitik. Die Folgen, viel heiße Luft und ein diplomatischer Scherbenhaufen von vergebenen Chancen für den Frieden.

„Der Weltfrieden ist keine Frage der Möglichkeit, sondern der Notwendigkeit. Es ist nicht das Ziel, sondern der normale Zustand der menschlichen Zivilisation. Wir dürfen nicht denken, dass wir diesen Zustand erreicht haben, solange wir noch von den Grausamkeiten der Kriege belastet sind. Die Höherentwicklung der Welt muss auf dem Weltfrieden basieren.“ Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner (1843-1914) – Rede in San Francisco, Juni 1912.

Fotocredit:

Foto 1: Library of Congress. Permalink Die Karikatur stammt von Augusto Grossi und ist mit 1878 datiert. Sie wird via Public Domain Image Archiv / Library of Congress unter einer „Public Domain“ zur weltweiten Nutzung zur Verfügung gestellt. Auf dem Bild ist Russland als Krake zu sehen, die ganz Europa und die Türkei zu verschlingen sucht.

Foto 2: Die Feldpostkarte aus dem Ersten Weltkrieg ist Teil der Dauerausstellung Kapitel 1: Deutschland und Russland 1914-1941 des Museums Berlin-Karlhorst. Sie zeigt das propagandistische Zerrbild eines russischen Soldaten im Ersten Weltkrieg. Die Zeile ‚Jeder Schuss, ein Russ!‘ ist Teil des in den Jahren 1914–1918 von deutschen, aber auch österreichischen Soldaten verwendeten Propagandaspruchs: „Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoß ein Franzos, jeder Tritt ein Britt, jeder Klapps ein Japs.“ Permalink der Feldpostkarte. Creative-Commons-Lizenz CC-BY-NC-SA: Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, Weitergabe zu gleichen Bedingungen.

Foto 3: General Swallow-all-o feasting on a French fricassee! Das Werk ist gemeinfrei. Der Druck zeigt einen riesigen russischen Soldaten, möglicherweise eine grobe Karikatur von Feldmarschall Aleksandr Vasilevich Suvorov, der den abgetrennten Kopf eines französischen Soldaten verspeist, während ein weiterer übergroßer Mann, ein Koch, eine Platte mit mehreren weiteren Köpfen hält; bezieht sich auf die Niederlage der Franzosen in Italien durch russische Truppen unter dem Kommando von Suvorov. Erstveröffentlicht von William Holland, Oxford St., Mai 1799. Dieses Bild ist unter der digitalen ID ppmsca.07195 in der Abteilung für Drucke und Fotografien der US-amerikanischen Library of Congress abrufbar. Permalink zum Bild. Rechtehinweis: Keine bekannten Einschränkungen hinsichtlich der Veröffentlichung.

6 Gedanken zu „Antirussische Propaganda, Sanktionen und Krieg in der Ukraine“

  1. Einmal ein anderer Blickwinkel. Danke für den Überblick. Einige Zahlen und Fakten zum Wahnsinn der Aufrüstung. Russland wendete 2024 für sein Militär 149 Milliarden US-Dollar auf. Unter Berücksichtigung der Kaufkraftparität, bei der beachtet wird, welcher Warenwert mit welcher Währung zu kaufen ist, betragen die russischen Ausgaben laut „International Institute for Strategic Studies“ (IISS) 462 Milliarden US-Dollar.

    Laut dem Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) wendeten 2024 alle Staaten weltweit rund 2,72 Billionen US-Dollar für militärische Zwecke auf. Die USA investierten 997,3 Milliarden US-Dollar in ihren Militärapparat, die anderen NATO-Staaten steuerten weitere 508 Milliarden zum Budget des westlichen Militärbündnisses bei. Davon schulterte Deutschland 88,5 Milliarden, Großbritannien 81,7 Milliarden und Frankreich 64,6 Milliarden.

    Antworten
    • Liebe Frau Hoflehner, vielen Dank für den Hinweis auf die Sendung. Ich werde sie in den nächsten Tagen nachhören. Leider wird die Sendung nach 30 Tagen aus dem Internetangebot von Ö1 gelöscht.

      Beste Grüße
      Georg Schober

      PS: Seit dem Siegeszug von „facebook“ und „X“ sind die Kommentare hier im Blog selten geworden. Um so mehr freue ich mich, dass mein Beitrag innerhalb weniger Minuten zwei LeserInnen zu einem Kommentar angeregt hat.

      Antworten
  2. Der Gleichklang der Medien ist bedrückend. Gibt es wirklich nur die eine richtige Meinung? Damit alles seine Richtigkeit hat, werden Persönlichkeiten wie der pensionierte General Kujat, ehemals Generalinspekteur der Bundeswehr und Anfang der 2000er Jahre Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, Ex-General Erich Vat oder Gabriele Kron Schmalz, ehemalige ARD-Korrespondentin in Moskau, aus dem öffentlichen Diskurs gedrängt. Wie schwach sind die Argumente der EU, dass sie es notwendig hat, abweichende Meinungen zu unterdrücken! Wir sind nicht so blöd, wie man in der EU meint und können uns selbst ein Bild machen. Man kann zu RT unterschiedlicher Meinung sein. Aber was hat es mit Demokratie zu tun russische Medien in der EU zu verbieten?

    W. Strohmayer

    Antworten
    • Einen schönen Abend Herr Strohmayer, danke für Ihren Beitrag, ich kann Ihnen nur Zustimmen. Es gibt zahlreiche Persönlichkeiten und Organisationen, die mahnend ihre Stimme erheben und für den Frieden eintreten. Sie sind weitestgehend auf die Alternativmedien beschränkt. Ich denke da zusätzlich zu den von Ihnen genannten Namen beispielsweise an Jeffrey Sachs oder John Mearsheimer aus den USA. In Österreich fällt mir der engagierte Verein Solidarwerstatt ein. Beste Grüße, Georg Schober

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